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Trauer um Georg Geyer

Am 7. Dezember 2013 ist der langjährige Ordinarius der 2. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (später Klinik für Innere Medizin III am Neuen AKH) im Wiener Sophienspital verstorben.

(Wien, 09-12-2013) Am 7. Dezember 2013 ist der langjährige Ordinarius der 2. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (später Klinik für Innere Medizin III am Neuen AKH) im Wiener Sophienspital verstorben.

“Es war mir eine Aufgabe, für die… Patienten die Gegebenheiten… zu verbessern und die Bedingungen… zu liberalisieren und zu humanisieren. Es gilt dabei, viele veraltete Traditionen und Sitten des täglichen Spitalslebens zu ändern, ein Bestreben bei dem ich Unterstützung bei den Schwestern und Ärzten der Klinik gefunden habe, sodass für unsere Patienten fühlbare Verbesserungen erreicht werden konnten“. Georg Geyer.

Georg Geyer wurde im Jahre 1922 in Wien geboren. Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte er in einem künstlerisch orientierten Elternhaus  materiell abgesichert in Wien. Insbesondere in seiner Jugend wurde ihm nach eigenen Angaben die politische Instabilität der Zeit vermittelt. Nach der Matura 1940 begann er das Medizinstudium, das durch seine Einberufung in die damalige Wehrmacht zum Soldatendienst in Italien im Jahre 1941 unterbrochen wurde. Nach Aufenthalten in Kriegslazaretten in Süditalien setzte er 1943 das Medizinstudium in Wien fort und schloss 1944 das erste Rigorosum ab. Nach neuerlichem Kriegseinsatz erkrankte er Ende 1944 in Italien an Diphtherie und Typhus und kam 1945/1946 in amerikanische Obhut. 1947 setzte er das Medizinstudium fort und promoviert 1948.

Im darauf folgenden Jahr trat er als unbezahlter Gastarzt an die I. Medizinische Universitätsklinik, die damals von Ernst Lauda geleitet wurde, ein, wo er ab 1951 als „Hilfsarzt“ tätig war. In den Jahren 1953/1954 war er Research Fellow  am Massachusetts General Hospital in Boston, wo er sich Fragen der Blutdruckregulation und der Lipide widmete. Dort erhielt er auch eine Reihe allgemeiner Anregungen, die seinen späteren Arbeitsstil entscheidend beeinflussten. 1956 schloss er seine Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin ab. Im Jahre 1960 war er in Rahway, USA, tätig und wurde  mit wissenschaftlichen Aspekten der Glucocorticoide konfrontiert, was auch zu den ersten Steroidhormonanalysen in Wien führte und sein Interesse an der Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten weckte.

Daneben befasste er sich mit Fragen der Rheumatologie und Entzündungspathologie und hat erstmals in Österreich die Lupus erythematosus (LE) Zelle nachweisen können. Seine Habilitation erfolgte 1963; seine Habilitationsschrift befasste sich mit der adrenostatischen Therapie bei M. Cushing, sein Habilitationsvortrag widmete sich der Glucocorticoidtherapie beim systemischen Lupus erythematosus und sein Habilitationskolloquium umfasste Fragen zur  Paraproteinämie. Zum stationsführenden Oberarzt wurde er 1964 ernannt, nachdem Erwin Deutsch im selben Jahre zum Vorstand der Klinik berufen worden war. Im Jahre 1967 wurde er Primarius der 1. Medizinischen Abteilung im Kaiser Franz Josef Spital,  wo er eine Dialysestation, ein klinisches Laboratorium und eine Herzüberwachungsstation begründete. Seine Ernennung zum  ao. Univ. Prof erfolgte 1971.

Im Jahre 1976 wurde er zum ordentlichen Universitätsprofessor und Vorstand der 2. Medizinischen Universitätsklinik als Nachfolger von Karl Fellinger berufen. Damit übernahm er eine Klinik mit einer jahrzehntelangen Tradition, zu deren früheren Leitern u.a. die Professoren Otto Kahler (1889-1893; Erstbeschreiber des M. Kahler) und Norbert Ortner (1912-1930; Beschreiber des Ortner Syndroms) zählten. Andere Vorgänger umfassten Johann Oppolzer (1849-1871), Heinrich Bamberger (1872-1888), Edmund Neusser (1893-1912), Nikolaus Jagic (1931-1946) und Karl Fellinger (1946-1975). An der 2.  Medizinischen Universitätsklinik am alten AKH erfolgten auch die ersten medizinischen Röntgenaufnahmen in Österreich im Jahre 1898 und die Gründung der “Röntgen-Centrale des AKH“ unter Gustav Kaiser (und später an anderem Ort Guido Holzknecht), wodurch die Klinik zur  Geburtsstätte der österreichischen Radiologie wurde.

Nach Übernahme der 2. Medizinischen Universitätsklinik sanierte Georg Geyer - soweit es die Möglichkeiten erlaubten - die Bettenstationen, schuf eine neue Dialyse- und eine Intensivstation und errichtete ein Gebäude mit  Forschungslaboratorien im 8. Hof des alten AKH.

In diesem Laboratoriumsgebäude fand sich nicht nur Platz für chemische und molekulare Analysen und sterile Werkbänke zur Ausweitung der Zellkulturmöglichkeiten, sondern auch für den ersten Zellsorter, der an einer Medizinischen Klinik in Österreich angeschafft wurde. Georg Geyer hat damit die Errichtung und Ausweitung der wissenschaftlichen Basis in der inneren Medizin in Wien und Österreich maßgeblich beeinflusst.  Er orchestrierte schließlich 1991 die Übersiedlung der II. Medizinischen Universitätsklinik in das neue AKH und übernahm dort die Leitung der Klinik für Innere Medizin III sowie der Klinischen Abteilung für Rheumatologie.  Im Jahre 1992 erfolgte seine Emeritierung, doch setzte er noch über viele Jahre seine wissenschaftlichen Tätigkeiten als Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Endokrinologie fort und wirkte auch bis 2012 als internistischer Sachverständiger des Wiener Patientenanwalts. Von 1980 – 1993 war o.Univ.Prof.Geyer ordentliches Mitglied des Landessanitätsrates für Wien. Er war Träger des Goldenen Ehrenzeichens für Verdienste um das Land Wien und des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse.

Georg Geyer war in vielerlei Hinsicht Vorbild für seine Schüler, zu denen nicht nur wir beide uns zählen durften, sondern auch dutzende andere Kolleginnen und Kollegen, von denen die meisten wichtige Funktionen in Wien oder anderen Städten in Österreich übernahmen: die Namen umfassten, u.v.a., die Nephrologen Wulff Pinggera, Krister Stummvoll, Axel Wolff, Christian Leithner, Josef Kovarik, Otto Traindl, Gert Mayer, Helmut Graf, Erich Pohanka und Renate Klauser; die Onkologen/Hämatologen Josef Kühböck, Herbert Watzke, Paul Aiginger, Werner Linkesch, Heinz Ludwig und Rudolf Kuzmits; die Kardiologen Jörg Slany, Karl Silberbauer und Michael Weissel; die Endokrinologen Robert Willvonseder, Guntram Schernthaner, Rudolf Prager und Anton Luger; die Pulmologen Friedrich Kummer, Paul Haber und Otto Chris Burghuber; die Gerontologen Christoph Gisinger, Peter Bernecker, Peter Pietschmann und Marcus Köller; und die Rheumatologen Gernot Kolarz, Othmar Scherak, Winfried Graninger, und Klaus Machold.

Er war Herausgeber vieler Auflagen eines Laboratoriumskompendiums der Inneren Medizin („Deutsch-Geyer“) und hat auch das erste Lehrbuch für Innere Medizin der damaligen Medizinischen Fakultät der Universität Wien mitgeschaffen.

Über seine medizinischen Aktivitäten hinaus hat Georg Geyer aber auch tiefe Eindrücke aufgrund seiner breiten humanistischen Bildung hinterlassen. Er war in höchstem Maße an bildender Kunst, vor allem der Malerei, interessiert und ein exquisiter Kenner der Kunst des Porzellans.

Georg Geyer hat uns durch sein lexikalisches internistisches Wissen, seine akribischen Untersuchungsgänge und seine zutiefst menschliche Zugangsweise zu PatientInnen und ÄrztInnen geprägt und war uns nicht nur großer Lehrer und Mentor, sondern auch ein großartiges Vorbild, dessen wir stets ehrend gedenken werden. Die Medizinische Universität verliert in em. o. Univ. Prof. Dr. Georg Geyer das Vorbild einer zutiefst menschlichen und humanistisch gebildeten und zugleich breitest internistisch kenntnisreichen Persönlichkeit.

Josef Smolen und Christoph Zielinski