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Verbesserung der Vorhersage von Thrombosen bei KrebspatientInnen

In einer an der MedUni Wien durchgeführten Studie, die in der international renommierten Fachzeitschrift „Blood“ publiziert wurde, konnte nun ein neuer Risiko-Score entwickelt werden, der die Einschätzung und Vorher-sage des Thromboserisikos bei KrebspatientInnen erlaubt. Die Erkenntnisse dieser Studie könnten bald in Therapie- bzw. Prophylaxeentscheidungen einfließen.

(Wien, 13-09-2010) Bis zu 20% aller KrebspatientInnen entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung eine Thrombose, die eine zusätzliche Belastung für die PatientInnen darstellt und oft zu negativen Auswirkungen auf den weiteren Krankheitsverlauf führt. In einer an der MedUni Wien durchgeführten Studie, die in der international renommierten Fachzeitschrift „Blood“ publiziert wurde, konnte nun ein neuer Risiko-Score entwickelt werden, der die Einschätzung und Vorhersage des Thromboserisikos bei KrebspatientInnen erlaubt. Die Erkenntnisse dieser Studie könnten bald in Therapie- bzw. Prophylaxeentscheidungen einfließen.

Menschen mit einer Krebserkrankung haben ein hohes Risiko, eine Venenthrombose (die Entstehung eines Blutgerinnsels in den tiefen Beinvenen oder eine Lungenembolie bzw. Pulmonalembolie) zu entwickeln, die potentiell lebensbedrohlich ist und häufig einen Grund für kürzeres Überleben und höhere Sterblichkeit darstellt. Die Thromboseneigung geht einerseits vom Tumor selbst aus, darüber hinaus ist sie von verschiedenen Faktoren abhängig, die zu einer Aktivierung der Blutgerinnung führen. Aus klinischer Sicht wäre eine effektive medikamentöse Thromboseprophylaxe bei manchen KrebspatientInnen dringend erforderlich, um thrombotische Komplikationen und deren Auswirkungen zu vermeiden. Es ist daher von großem Interesse, jene KrebspatientInnen bereits bei Diagnose zu identifizieren, die ein besonders hohes Thromboserisiko haben und damit besonders von einer prophylaktischen blutverdünnenden Behandlung profitieren würden.

Aus diesem Grunde haben es sich in dieser prospektiven Studie WissenschafterInnen der MedUni Wien um Univ. Prof.in Dr.in Ingrid Pabinger-Fasching und Dr. Cihan Ay zum Ziel gesetzt, Risikofaktoren, die das Auftreten einer Thrombose bei PatientInnen mit Krebs vorhersagen können, zu erforschen, um dann eine gezielte Behandlung entsprechend dem individuellen Risikoprofil zu ermöglichen. Initiiert wurde die „Vienna Cancer and Thrombosis Study“ (CATS) von Univ. Prof.in Dr.in Ingrid Pabinger-Fasching an der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Leitung: Univ. Prof. C. Zielinski) im Jahr 2003. In bisherigen Arbeiten dieser Studie konnten verschiedene Laborparameter bzw. Biomarker zur Vorhersage des Thromboserisikos bei KrebspatientInnen identifiziert werden.

Ein aktuelles Ergebnis der Studie wurde in der international renommierten Fachzeitschrift „Blood“ zur Publikation angenommen und wurde in auch in einer Presseaussendung in den USA publik gemacht.  Es konnte darin nun ein verbessertes Risiko-Modell, welches die Einschätzung des Thromboserisikos ermöglicht, beschrieben werden. Untersucht wurden in dieser prospektiven Beobachtungsstudie 819 PatientInnen mit einer Krebserkrankung zwischen Oktober 2003 und Dezember 2008, wovon 7.4% der PatientInnen im genannten Beobachtungszeitraum eine Thrombose entwickelten (Im Vergleich dazu beträgt die Thromboserate in der Allgemeinbevölkerung etwa 0.001%). Die eingeschlossenen Tumorentitäten umfassten Hirn-, Brust-, Lungen, Magen, Dickdarm-, Bauchspeicheldrüsen-, Nieren-, Prostata- und Lymphdrüsentumore.

Ein derzeit bestehendes Risikovorhersagemodell für das Auftreten von Venenthrombosen bei KrebspatientInnen, welches die Parameter Tumorentität, Body-Mass-Index, Thrombozyten- und Leukozytenzahl sowie Hämoglobinspiegel enthält (alles Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko für krebsassoziierte Thrombosen einhergehen), wurde durch die beiden neuen prädiktiven Biomarker (Laborparameter) solubles P-Selektin und D-dimer ergänzt, um eine präzisere Stratifizierung von TumorpatientInnen in Hoch- bzw. Niedrigrisikogruppen durchzuführen. Beim sP-Selektin handelt es sich um ein Zelladhäsionsmolekül, welches die Entstehung von Blutgerinnseln fördert; D-dimer ist ein Aktivierungsmarker des Gerinnungssystems.

Die Bedeutung beider Biomarker für die Vorhersage von Venenthrombosen bei KrebspatientInnen wurde bereits zuvor in der „Vienna Cancer and Thrombosis Study“ beschrieben. Ihre Berücksichtigung in diesem neuen Risikovorhersage-Modell verbesserte deutlich die Genauigkeit der Stratifizierung von PatientInnen in verschiedene Risikokategorien. Etwa 1/3 (35%) aller PatientInnen in der höchsten Risikokategorie dieses neuen Risikovorhersage-Modells entwickelten im Beobachtungszeitraum eine Thrombose, während bei PatientInnen in der niedrigsten Risikokategorie die Thromboserate bei nur 1% lag.

„Weil das Thromboserisiko nicht bei allen KrebspatientInnen gleich ist und eine medikamentöse Blutverdünnung insbesondere bei KrebspatientInnen zu einem hohen Risiko für Blutungskomplikationen führt, ist die Einteilung von KrebspatientInnen hinsichtlich ihres Thromboserisikos wichtig“ meint Univ. Prof.in Dr.in Ingrid Pabinger-Fasching, Professorin für Hämostaseologie an der MedUni Wien, und  leitet aus ihrer Studie ab, dass PatientInnen mit einem hohen Thromboserisiko von einer routinemäßigen Thromboseprophylaxe profitieren könnten, während bei PatientInnen mit einem niedrigen Thromboserisiko eher das Blutungsrisiko zu überwiegen scheint und diese daher keine geeigneten KandidatInnen für eine routinemäßige Antikoagulation (Blutverdünnung) wären.

„Unser erweitertes Modell zeigt, dass KrebspatientInnen mit einem hohen Thromboserisiko noch besser identifiziert werden können“, sagt Dr. Cihan Ay, Erst-Autor der Studie und Mitarbeiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie, und ergänzt: „Dieses Modell kann ÄrztInnen in der klinischen Praxis dazu dienen, eine maßgeschneiderte Therapieentscheidung zu treffen und durch Thromboseprophylaxe die Prävention von Beinvenenthrombosen und Pulmonalembolien zu verbessern, wodurch einerseits der klinische Nutzen und andererseits die Kosteneffizienz optimiert sowie das Risiko von Blutungskomplikationen durch die blutverdünnende prophylaktische Therapie minimiert werden könnte“.


» Publikation in BLOOD
Prediction of venous thromboembolism in cancer patients
Cihan Ay, Daniela Dunkler, Christine Marosi, Alexandru-Laurentiu Chiriac, Rainer Vormittag, Ralph Simanek, Peter Quehenberger, Christoph Zielinski and Ingrid Pabinger