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Wie Licht die Genexpression reguliert – oder: Das Geheimnis einer langen Partnerschaft

Erkenntnisse über einen Mechanismus der Genregulation in Pflanzen könnten zur Erforschung neuer regulatorischer Mechanismen der Genexpression auch im Menschen beitragen.

(Wien, 11-04-2014) ForscherInnen an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien haben einen neuen Mechanismus der Genregulation in Pflanzen entdeckt, der seinen Ausgangspunkt in Chloroplasten hat. Die Erkenntnisse, die gemeinsam mit Forschergruppen aus Argentinien und Schottland gewonnen wurden, könnten maßgeblich zur Erforschung neuer regulatorischer Mechanismen der Genexpression auch im Menschen beitragen. Dieser Forschungserfolg innerhalb des „European Network of Excellence on Alternative Splicing” wurde nun im renommierten Fachjournal Science publiziert.

Um zu überleben, müssen sich  Pflanzen so schnell wie möglich an Umweltbedingungen wie wechselnde Lichtverhältnisse anpassen. Andrea Barta und ihr Team an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Medizinischen Universität Wien konnten nun gemeinsam mit den Gruppen von Alberto Kornblihtt (Argentinien) und von John Brown (Schottland) zeigen, dass Chloroplasten hier eine Schlüsselfunktion innehaben: Sie fanden heraus, dass diese für die Photosynthese zuständigen Pflanzenorganellen bei der schnellen Lichtadaption helfen, indem sie den Prozess des alternativen Spleißens im Zellkern kontrollieren.

Alternatives Spleißen: ein wichtiger Spieler im genregulatorischen Netzwerk
Bei Menschen wie bei Pflanzen ist der Prozess des alternativen Spleißens ein Hauptfaktor für die genetische Vielfalt. Durch diesen Prozess kann ein einziges Gen für mehrere Proteine codieren, indem unterschiedliche Teile des Gens miteinander kombiniert werden, um eine „messenger RNA“ zu bilden. Diese ist wiederum die Basis zur Produktion von Proteinen.
Alternatives Spleißen beeinflusst die Genexpression in einem erstaunlichen Ausmaß: Es wird geschätzt, dass über 90% der menschlichen Gene und etwa 60% der Gene von Arabidopsis (Modellpflanze) alternativ gespleißt werden. Das Spleißen ist ein stark regulierter Prozess, der von vielen Faktoren innerhalb eines komplexen Netzwerks abhängig ist. Läuft hier etwas schief, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Mutationen und Fehlregulierungen der Gene, die Krankheiten verursachen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass circa 50% aller krankheitsverursachenden Mutationen letztlich Fehler im Spleiß-Prozess hervorrufen.
„Der Spleiß-Mechanismus ist in Pflanzen- wie in Tierzellen großteils derselbe. Daher sind Pflanzen wie Arabidopsis, die in dieser Studie verwendet wurden, perfekte Modellorganismen, um das Fine-Tuning des genregulatorischen Netzwerkes zu untersuchen“, erklären Ezequiel Petrillo und Maria Kalyna, die die ersten Experimente dieser Kollaborationsstudie bereits vor sechs Jahren durchführten. „Und wenn man weiß, dass ein wesentlicher Teil des Chloroplastengenoms im Laufe der Evolution in den Zellkern gewandert ist, verwundert es nicht, dass diese beiden Zellorganellen miteinander kommunizieren müssen. Nur so ist es sicher, dass die richtigen Proteine zur richtigen Zeit und Menge produziert werden. Chloroplast und Zellkern sind also wie ein altes Ehepaar, das begriffen hat, wie wichtig Kommunikation für eine erfolgreiche Partnerschaft ist“, fügt Ezequiel schmunzelnd hinzu.

Lichtverhältnisse beeinflussen alternatives Spleißen
Die Forscher zeigen, dass Chloroplasten bei veränderten Lichtverhältnissen Signale aussenden, die den Spleiß-Vorgang in einer Untergruppe von Arabidopsis-Genen verändert. Genauer gesagt reagiert der Zellkern auf Veränderungen des chemischen Zustands des Plastochinon-Pools im Chloroplast. Plastochinone sind Teil der Elektronentransportkette bei der Photosynthese, und Licht verändert ihren chemischen Zustand.
Interessanterweise konnten die Forscher auch nachweisen, dass der Chloroplast nicht nur zum Zellkern Signale sendet, sondern auch ein Signal durch die ganze Pflanze reist: Wenn die Kommunikation zwischen den Blättern, die als photosynthetisch aktives Gewebe Chloroplasten aufweisen, und den Wurzeln nicht unterbrochen wird, werden auch hier die Spleiß-Vorgänge an die Lichtverhältnisse angepasst.

Ein Blick in die Zukunft
„Da Spleiß-Mechanismen im Pflanzen- und Tierreich einander sehr ähneln, werden Forscher irgendwann in der Zukunft untersuchen, ob dieser Vorgang auch in Organellen von Säugetierzellen, wie etwa Mitochondrien, stattfindet“, erklärt Ezequiel. „Es wäre interessant zu ergründen, wie Chloroplasten und Mitochondrien, also Organellen mit endosymbiontischem Ursprung, gelernt haben, die Genexpression im Zellkern zu manipulieren. Als nächstes möchten wir jedoch mehr über den Signalweg zwischen Chloroplasten und Zellkern herausfinden und wie das Signalmolekül die Lichtmeldung von den Blättern zu den anderen Pflanzenteilen bringt.“
Um diese Forschungen an den Max F. Perutz Laboratories durchzuführen, wird Ezequiel durch zwei prestigereiche Postdoc-Stipendien, dem EMBO (European Molecular Biology Organization) Fellowship und dem European Marie Curie Fellowship, unterstützt.

Publikation in Science:
Ezequiel Petrillo, Micaela A. Godoy Herz, Armin Fuchs, Dominik Reifer, John Fuller, Marcelo J. Yanovsky, Craig Simpson, John W. S. Brown, Andrea Barta, Maria Kalyna, Alberto R. Kornblihtt: A chloroplast retrograde signal regulates nuclear alternative splicing. In: Science (March 2014). DOI: http://dx.doi.org/10.1126/science.1250322

Bildmaterial zur Presseaussendung kann unter communications@mfpl.ac.at angefordert werden.

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