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Zellforschung: Enzym stellt wichtiges Prinzip der Evolution in Frage

In evolutionären Prozessen setzen sich bevorzugt einfache und sparsame gegenüber aufwendigen und komplexen Lösungen durch. Nun untersuchte ein Forschungsteam rund um Walter Rossmanith von der MedUni Wien das in allen Lebensformen wichtige Enzym „Ribonuklease P“. Überraschendes Ergebnis: Bei diesem Enzym gilt das Prinzip evolutionärer Ökonomie scheinbar nicht.

(Wien 02-07-2012) In evolutionären Prozessen setzen sich bevorzugt einfache und sparsame gegenüber aufwendigen und komplexen Lösungen durch. Nun untersuchte ein Forschungsteam rund um Walter Rossmanith von der MedUni Wien das in allen Lebensformen wichtige Enzym „Ribonuklease P“. Überraschendes Ergebnis: Bei diesem Enzym gilt das Prinzip evolutionärer Ökonomie scheinbar nicht.

Enzyme sind für Organismen von großer Bedeutung. Von der Verdauung bis zur Vervielfältigung von Erbinformationen steuern und beschleunigen sie den überwiegenden Teil biochemischer Reaktionen. Grund genug für ein Forschungsteam rund um Walter Rossmanith vom Zentrum für Anatomie & Zellbiologie der MedUni Wien gemeinsam mit Forschern der Universität Marburg (Deutschland) und der Wiener Max F. Perutz Laboratories die Evolution von Enzymen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Untersucht wurde anhand des Enzyms „Ribonuklease P“ die Bedeutung molekularer Komplexität im Gegensatz zu einfachen Lösungen für das gleiche Problem. Oder anders gesagt: Warum besteht ein Enzym einmal aus nur einem Bestandteil und dann wieder aus vielen Komponenten?

Die Forscher fanden mit Trypanosoma brucei – dem Erreger der Schlafkrankheit – einen Organismus, in dem Ribonuklease P aus nur einem Protein besteht. In allen anderen bisher untersuchten höheren Zellen, etwa der der Bäckerhefe oder des Menschen, ist diese jedoch komplex aufgebaut. Dazu Rossmanith, der die Studie initiierte und leitete: „Es ist natürlich interessant, warum das gleiche Enzym in manchen Organismen so kompliziert aufgebaut ist, wenn's einfach auch geht.“

Überraschendes Ergebnis: Komplexes Enzym austauschbar gegen einfaches Enzym

Verblüffenderweise konnten die Forscher das komplexe Enzym der Bäckerhefe gegen das einfache aus Trypanosoma brucei problemlos austauschen. „Wir wollen nun die beiden Enzymformen weiter vergleichen, um zu verstehen, was der mögliche evolutionäre Vorteil des komplexen Enzyms ist. Denn ein solches widerspricht ja eigentlich der Tendenz zur Ökonomie in evolutionären Prozessen“, so Rossmanith. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten internationalen Fachjournal „Cell Reports“ veröffentlicht.

Enzym „Ribonuklease P“: Einmal einfach, einmal kompliziert
Das Enzym „Ribonuklease P“ ist für einen wichtigen Schritt in der Herstellung von bestimmten RNAs (transfer RNAs – tRNAs) in den Zellen jeder Lebensform, von einfachen Bakterien bis hin zum Menschen, verantwortlich. In allen bisher untersuchten höheren Zellen ist „Ribonuklease P“ selbst aus einer RNA und zumindest zehn Proteinen aufgebaut, wobei die RNA die wichtigste Komponente ist. Beim Erreger der Schlafkrankheit besteht „Ribonuklease P“ hingegen aus nur einem Protein. Zellen benötigen die tRNAs für die lebensnotwendige Proteinsynthese.

Service: Cell Reports

“Nuclear RNase P of Trypanosoma brucei: A Single Protein in Place of the Multicomponent RNA-Protein Complex” Andreas Taschner, Christoph Weber, Aurélie Buzet, Roland K. Hartmann, Andreas Hartig, Walter Rossmanith.
Cell Reports, Juli 2012, doi: 10.1016/j.celrep.2012.05.021