(Wien, 07-06-2016) Migräne ist die weltweit dritthäufigste Erkrankung und liegt unter mehr als 300 Erkrankungen an sechster Stelle, was die krankheitsbedingte Belastung betrifft. „Auslöser von Migräneattacken zu erkennen ist ein wichtiger, zugleich aber schwieriger Schritt in der Migränebehandlung“, erklärt Christian Wöber, Leiter des Spezialbereiches Kopfschmerz an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien. Alleiniges Befragen der Betroffenen bringt kein verlässliches Ergebnis, vielmehr bedarf es detaillierter Aufzeichnungen in einem Tagebuch und einer komplexen statistischen Analyse, um die Migräne personalisiert behandeln zu können. Genau das wurde nun in einer Studie nachgewiesen.
Die Arbeitsgruppe Kopfschmerz der MedUni Wien ist eine der weltweit führenden Gruppen, die Migräneauslöser erforschen und hat daher auch das Interesse des US-amerikanischen Start-Ups „Curelator“ bei der Entwicklung einer App für das Erfassen von Migräneauslösern geweckt. Aus der Kooperation zwischen MedUni Wien und dem Unternehmen ist nun eine erste, kürzlich im Top-Journal „Cephalalgia“ publizierte Studie hervorgegangen.
In dieser Studie wurden Daten der MedUni Wien verwendet, um eine völlig neue Herangehensweise an die Analyse von Migräneauslösern zu untersuchen. Erstmals wurden die Auslöser für eine Migräneattacke, nicht für ein Kollektiv, sondern individuell für jeden einzelnen Patienten bzw. jede einzelne Patientin ermittelt. Wöber: „Einzelfall-Analysen erlauben personalisierte, also auf individuelle Gegebenheiten Bedacht nehmende Medizin. Die Notwendigkeit dieser bisher in medizinischen Studien wenig gebräuchlichen Herangehensweise wurde kürzlich auch im Top-Journal Nature hervorgehoben.“
Individueller Zusammenhang zwischen Migräneauslöser und -attacke
Bei der aktuellen Studie in Cephalalgia wurden daher Einzelfallanalysen mit der Analyse der Gesamtgruppe aller StudienteilnehmerInnen verglichen. Das überraschende und zugleich praxisrelevantes Ergebnis: Unter 326 PatientInnen, die 90 Tage lang ein detailliertes Tagebuch geführt hatten, ließen sich mittels Einzelfallanalysen bei 87 Prozent der Betroffenen mögliche Migräneauslöser nachweisen. Im Durchschnitt waren es vier mögliche Auslöser pro StudienteilnehmerIn. „Unerwartet war“, so der MedUni Wien-Experte, „dass das individuelle Profil möglicher Auslöser außerordentlich variabel und in 85 Prozent der PatientInnen einzigartig war. Jeder der 33 untersuchten Migräneauslöser stand zumindest bei einzelnen PatientInnen mit Migräneattacken in Zusammenhang.“ In der Gesamtanalyse aller 326 ProbandInnen war dies hingegen nur für acht Faktoren der Fall.
Das bedeutet: Bei der überwiegenden Mehrzahl der PatientInnen fanden sich individuelle Auslöser, die in der Gesamtanalyse aller PatientInnen nicht identifiziert werden konnten. Wöber erklärt: „Die neue Analyse erlaubt somit erstmals für jede einzelne Patientin und jeden einzelnen Patienten Informationen über den Zusammenhang zwischen Migräneattacken und einem breiten Spektrum möglicher Migräneauslöser, und ist somit ein Schritt in Richtung personalisierte Migränebehandlung.“
Service: Cephalalgia
“Towards improved migraine management: determining potential trigger factors in individual patients.” Peris F, Donoghue S, Torres F, Mian A, Wöber C. Cephalalgia 2016, May 14.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27179352
Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert. Dort werden in der Grundlagen- wie in der klinischen Forschung vermehrt Schwerpunkte gesetzt. Die Forschungscluster umfassen medizinische Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie. Das vorliegende Paper fällt in den Bereich des Clusters für medizinische Neurowissenschaften.