(Wien, 06-02-2017) Eine Forschergruppe rund um Oskar Aszmann von der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien hat gemeinsam mit Dario Farina vom Department of Bioengineering, Imperial College London, die „Sprache der Bewegungskontrolle“ entschlüsselt. In einer Serie von Experimenten konnte mit Hilfe von hochauflösender Elektromyografie (EMG), einer elektrophysiologischen Methode in der neurologischen Diagnostik, das Impulsmuster einzelner motorischer Einheiten erkannt und für die bionische Bewegungskontrolle übersetzt werden. Aszmann: „Die Kombination kognitiver Nerventransfers mit der hier dargestellten Signalentschlüsselung ermöglichen erstmals intuitive Kontrollalgorithmen mit bisher nicht erreichter Bewegungsfreiheit.“
Natürliche Bewegungen des menschlichen Körpers werden durch eine Vielzahl von Nervenfasern vermittelt. Das Arm-Nervengeflecht des Menschen beherbergt etwa 350.000 Nervenfasern, welche für die komplexen Bewegungen des Armes und der Hand verantwortlich sind. Aszmann: „Wenn man einen Arm verliert, ist zwar sozusagen die Hardware verloren, jedoch die Steuerungssoftware und Kabeln noch vorhanden.“ Ziel der vorliegenden Experimente war es, diese Information zu entschlüsseln und in Steuerungssignale in der bionischen Rekonstruktion zu übersetzen.
An sechs PatientInnen, welche einen Arm verloren hatten, wurde durch komplexe nervenchirurgische Eingriffe ein „Bioscreen“ geschaffen, welcher es ermöglicht, Bewegungssignale wieder sichtbar zu machen. Bis dato konnten diese Rohsignale nicht weiter entschlüsselt werden und so nur eine limitierte Anzahl an Bewegungen prothetisch umgesetzt werden.
Mit einer speziell entwickelten Sensor-Technologie konnte nun die Sprache einzelner motorischer Einheiten identifiziert und bestimmten Bewegungen exakt zugeordnet werden. Im letzten Teil der Experimente konnte gezeigt werden, dass diese Signale eine intuitive Bewegungskontrolle mit hoher Verlässlichkeit mit bisher nicht erreichter Bewegungsfreiheit ermöglichen.
Studienleiter Aszmann, der sich seit Jahrzehnten mit der Rekonstruktion komplexer Extremitätendefekte beschäftigt, sieht in dieser Arbeit den Grundstein wesentlicher Entwicklungen auf dem Gebiet der Neurobionik: Erstmals ist es uns gelungen, den Reichtum dieser Information in sinnvolle Steuerungstechnik umzusetzen. Laufende Experimente zeigen jedoch, daß hier noch extrem viel Potential verborgen ist und wir in den kommenden Jahren noch einen gewaltigen Innovationsschub an der Schnittstelle Mensch-Maschine erleben werden.
Service: Nature Biomedical Engineering
“Man/machine interface based on the discharge timings of spinal motor neurons after targeted muscle reinnervation”. Nature Biomedical Engineering, February 6, 2017. Dario Farina, Ivan Vujaklija, Massimo Sartori, Tamas Kapelner, Francesco Negro, Ning Jiang, Konstantin Bergmeister, Arash Andalib, Jose Principe, and Oskar C Aszmann.
DOI: 10.1038/s41551-016-0025.
Diese Studie wurde vom ERC Advanced Grant DEMOVE (D.F. contract #: 267888), von der Christian Doppler Forschungsgesellschaft des österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, des EU Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogrammes (Marie Curie Grant: 702491) und DARPA Haptix (N66001-15-1-4054) finanziert.