(Wien, 16-01-2017) Granulome sind Gewebeknötchen von Immunzellen, die bei Erkrankungen wie Tuberkulose oder Sarkoidose auftreten und viele Organe schädigen können. Ein Forschungsteam des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik der MedUni Wien identifizierte nun erstmals die Ursache für deren Entstehung. Die chronische Aktivierung des Stoffwechselsensors mTOR ist dafür verantwortlich, dass sich Granulome bilden. Die WissenschafterInnen entdeckten auch, dass dieser Mechanismus bei Sarkoidose (bei der Granulome zu einer Schädigung der Lunge führen), zu einem chronischen und schlecht behandelbaren Verlauf der Krankheit führt. Da mTOR-Hemmer eine bereits für die Klinik zugelassene Medikamentengruppe darstellen, liefern diese Erkenntnisse, die nun in „Nature Immunology“ publiziert wurden, neue und schnell testbare Therapieansätze.
Granulome sind Ansammlungen von Makrophagen bei entzündlichen Erkrankungen, die als Gewebeknötchen in den verschiedensten Organen auftreten und die Gewebefunktion drastisch beeinträchtigen können. Makrophagen sind normalerweise wichtige Zellen der Immunabwehr, die Bakterien oder alte Körperzellen fressen und beseitigen. Durch bisher unbekannte Ursachen blähen sich Makrophagen bei granulomatösen Entzündungen auf und lagern sich dicht aneinander – das ist die Basisstruktur des Granuloms. Welche molekularen Schalter in den Makrophagen maßgeblich sind, um sich so zu verändern, war bisher unbekannt. Ein Team um Thomas Weichhart, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Pathobiochemie und Genetik (Leiter: Markus Hengstschläger) der Medizinischen Universität Wien, gelang nun der Nachweis, dass die chronische Aktivierung eines einzigen Moleküls genügt, um Granulome auszulösen.
„Wir haben entdeckt, dass die dauerhafte Anschaltung des Proteins mTOR direkt in Makrophagen ausreicht, um spontan Granulome in vielen Geweben im Tiermodell zu entwickeln“, erklärt Monika Linke, PhD-Studentin an der MedUni Wien und Erstautorin der Studie. mTOR ist ein zentraler Sensor der Zellen, der Nahrungs- und Energieverfügbarkeit misst und dahingehend den Zellstoffwechsel reguliert, welcher wiederum die Immunantwort stark beeinflusst. Die Aktivierung von mTOR führt zur unkontrollierten Zellvermehrung, verhindert deren Tod, und sorgt für die Aufblähung der Makrophagen. „In gewisser Weise kann man Granulome mit gutartigen Tumoren vergleichen“, erklärt Linke. Die Aktivierung von mTOR reguliert den Stoffwechsel in der Makrophagen und sorgt für eine erhöhte Glukoseabhängigkeit, ein Merkmal, das ebenfalls bei Tumorzellen auftritt, und derzeit intensiv hinsichtlich therapeutischer Angreifbarkeit beforscht wird.
Sarkoidose: Aktives Protein mTOR führt zum Fortschreiten der Krankheit
Die Forschungsgruppe konnte diese grundlagenwissenschaftlich höchst interessanten Ergebnisse in der Studie auch direkt auf den Menschen umlegen: Sarkoidose ist eine Krankheit, die ungefähr bei jedem 3000. Menschen auftritt und bei der Granulome vor allem die Lungen erheblich schädigen. Der Autor Thomas Bernhard war in Österreich vermutlich der prominenteste Sarkoidose-Patient, der seine Krankheit auch literarisch im Buch „Die Kälte. Eine Isolation“ verarbeitet hat. Die Krankheit hat oftmals eine günstige Prognose, bei der keine Therapie vonnöten ist. Jedoch tritt in ungefähr 20-30 Prozent der Fälle eine chronische, progressive Form auf, die häufig nur schlecht behandelbar ist und bis zum Tod führen kann.
Weichhart: „Wir haben entdeckt, dass speziell in der progressiven Form der Sarkoidose mTOR ebenfalls aktiv ist, und zu einem Fortschreiten der Krankheit führt.“ Diese Daten haben eine sofortige praktische Bedeutung: mTOR-Inhibitoren sind zugelassene Medikamente, die schon jetzt in der Transplantationsmedizin und in der Krebstherapie erfolgreich eingesetzt werden.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass mTOR-Inhibitoren auch in der progressiven Sarkoidose einen therapeutischen Effekt haben könnten. Im Tiermodell haben diese Medikamente für ein sehr rasches Verschwinden der Granulome gesorgt. Die ForscherInnen testen derzeit in einer größeren PatientInnengruppe, ob die Hemmung von mTOR wirklich zu einer Heilung von Sarkoidose führt. Für Thomas Weichhart, der sich seit Jahren mit mTOR beschäftigt, sind diese Ergebnisse auch ein wichtiges Statement: „Hier zeigt sich wieder, wie wichtig Grundlagenforschung ist, und wie schnell sich manche Erkenntnisse auf den Menschen umlegen lassen.“ Die ForscherInnen glauben, dass das Tiermodell künftig auch neue Erkenntnisse für die Entstehung von Granulomen bei anderen Krankheiten wie der Tuberkulose ermöglicht, die viele Millionen Menschen weltweit betrifft.
Service: Nature Immunology
“Chronic mTORC1 signaling induces macrophage granuloma formation and marks sarcoidosis progression”. M. Linke, H. T. Thanh Pham, K. Katholnig, T. Schnöller, A. Miller, F. Demel, B. Schütz, M. Rosner, B. Kovacic, N. Sukhbaatar, B. Niederreiter, S. Blüml, Peter Kuess, Veronika Sexl, M. Müller, M. Mikula, W. Weckwerth, A. Haschemi, M. Susani, M. Hengstschläger, M. J. Gambello, T. Weichhart; Nature Immunology, DOI:10.1038/ni.3655.