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„Papageno-Effekt“: Professionelle Aufklärung im Internet kann Suizidgefährdung reduzieren

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(Wien, 20-06-2017) Erstmals konnte eine psychologische Studie aufzeigen, dass die Lektüre von Aufklärungsmaterial im Internet die Suizidalität (Suizidgefährdung) von Menschen tatsächlich reduzieren kann. Das gilt für von ExpertInnen in Zusammenarbeit mit Betroffenen gestaltete Webseiten. Den wissenschaftlichen Nachweis erbrachte das Team um Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums für Public Health an der MedUni Wien. Die Studie wurde jetzt im „British Journal of Psychiatry“ publiziert.

In der Suizidforschung weiß man seit langem, dass sensationsorientierte Berichterstattung über Suizide gefährdete Menschen zur Nachahmung anregen kann. Hierbei spricht man vom „Werther-Effekt“. Wenn aber Betroffene in Medien über ihre Bewältigungsstrategien für suizidale Gedanken erzählen, hat das eine positive Wirkung, den „Papageno-Effekt“. Dieser Begriff wurde in früheren Studien des Zentrums für Public Health an der MedUni Wien in Anlehnung an Wolfgang Amadeus Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“ geprägt. Hier trägt sich Papageno im Glauben um den Verlust seiner geliebten Papagena mit Selbsttötungsabsichten, von denen ihn die „Drei Knaben“ durch Hinweise, was er anstelle des Suizids machen könne, schließlich doch noch abbringen.

Die Fragestellung des Zentrums für Public Health der aktuellen Studie lautete: „Haben Präventionsseiten einschlägiger Hilfsorganisationen einen Einfluss auf die Suizidalität?“.  Dazu wurden 161 in Österreich lebende, junge Erwachsene nach Zufallsprinzip ausgewählt, um eine professionelle Webseite zum Thema Suizidprävention oder eine Kontrollwebseite zu besuchen. Unmittelbar vor und nach Lektüre der Webseiten sowie eine Woche später wurden psychologische Tests und Interviews durchgeführt.

Das Resultat der Studie ist, dass die Suizidgefährdung mittels dieser edukativen Webseiten tatsächlich reduziert werden kann, und zwar besonders bei jenen Personen, die eine höhere Anfälligkeit für Suizid aufweisen. Aus der Studie ist auch ablesbar, dass es nach der Lektüre zu einem nachhaltig größeren Wissen über Suizidgefährdung und Suizidprävention kommt. Thomas Niederkrotenthaler, Leiter der Unit Suizidforschung: „Wir haben diese Studie mit Personen durchgeführt, die insgesamt ein geringes Suizidrisiko hatten. Die Ergebnisse bestärken uns darin, in einer Folgestudie nun direkt die Effekte in einer Risikogruppe zu untersuchen.“ Erstautor Benedikt Till von der MedUni Wien: „Basierend auf unseren Ergebnissen könnte gerade unter vulnerablen, also anfälligen, Personen der suizidpräventive Effekt besonders stark sein. Die Folgestudie ist bereits in Vorbereitung und wird sich einer vulnerablen Gruppe annehmen.“
Diese Studie wurde vom FWF (Grant-nummer P23659-B11 an TN) gefördert.

Das Zentrum für Public Health der MedUni Wien empfiehlt Betroffenen und Interessierten das neue Suizidpräventions-Portal www.suizid-praevention.gv.at. Dieses ist in das Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs www.gesundheit.gv.at eingebettet.

Service:  The British Journal of Psychiatry
„Beneficial and harmful effects of educative suicide prevention websites: randomised controlled trial exploring Papageno v. Werther effects“. Benedikt Till, Ulrich S. Tran, Martin Voracek and Thomas Niederkrotenthaler. Publiziert in „The British Journal of Psychiatry Online first. doi: 10.1192/bjp.bp.115.177394.