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PET ermöglicht Messung von Arzneimittel-Wechselwirkungen in der Leber

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(Wien, 10-10-2017) Ein Forscherteam der MedUni Wien hat in Zusammenarbeit mit dem AIT Austrian Institute of Technology einen Mechanismus aufgeklärt, der zur Aufnahme des klinisch häufig verwendeten Tyrosinkinase-Inhibitors Erlotinib durch die Leber beiträgt. Die im Top-Journal „Clinical Pharmacology & Therapeutics“ erschienene Studie konnte erstmals zeigen, dass Erlotinib über einen Membran-Transporter vom Blut in die Leber aufgenommen wird.

Die Leber ist ein Hauptausscheidungsorgan für viele Arzneistoffe. Dort findet in der Verstoffwechselung von Arzneistoffen und deren Ausscheidung ein Zusammenspiel von metabolischen Enzymen und verschiedenen Membran-Transportern statt. Diese Transporter können zur inter-individuellen Variabilität in der Pharmakokinetik von Arzneistoffen beitragen und eine wichtige Rolle bei Arzneimittel-Wechselwirkungen spielen“, erklärt Markus Zeitlinger, interimistischer Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien.

Transporter-bedingte Arzneimittel-Wechselwirkungen in der Leber
Werden nun zwei Arzneistoffe gleichzeitig verabreicht, die über dieselben Transporter in die Leber gelangen oder aus der Leber ausgeschieden werden, so kann es zu einem wechselseitigen „Wettkampf“ an den Transportern kommen, was die Ausscheidung der Arzneistoffe beeinträchtigen und durch Anreicherung der Arzneistoffe zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen kann. So ist es durch die Arzneimittel-Wechselwirkungen zwischen den beiden Lipidsenkern Gemfribozil und Cerivastatin zu Todesfällen gekommen – bis hin zur anschließenden Marktrücknahme von Cerivastatin, betont Zeitlinger.

Arzneimittel Zulassungsbehörden (EMA, FDA) verlangen daher, dass bei neuen Arzneistoffen das Risiko Transporter-bedingter Arzneimittel-Wechselwirkungen untersucht werden muss. Kann das Risiko einer Wechselwirkung anhand von in vitro Daten nicht ausgeschlossen werden, so werden klinische Studien bei gesunden ProbandInnen durchgeführt. In solchen Studien werden normalerweise die pharmakokinetischen Profile der Arzneistoffe im Blut bei Einzelgabe und gleichzeitiger Gabe der Arzneistoffe miteinander verglichen. Bei einer Hemmung von Arzneistoff-Transportern in der Leber kann es zu ausgeprägten Änderungen der Arzneistoffkonzentrationen in der Leber, den Gallengängen, der Gallenblase und im Darm kommen, ohne dass es zu großen Änderungen im Blut kommt. Zeitlinger: „Diese „stillen“ Arzneimittel-Wechselwirkungen sind von hoher Relevanz, weil sie zum Beispiel zu Lebertoxizität von Arzneistoffen führen können.“

Ein sehr vielversprechendes Verfahren, um Transporter-bedingte Arzneimittel-Wechselwirkungen besser untersuchen und verstehen zu können, ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET). PET ist ein bildgebendes Verfahren, mit dem die Verteilung und Pharmakokinetik von radioaktiv markierten Arzneistoffen direkt in verschiedenen Geweben und Organen, wie zum Beispiel der Leber, nicht-invasiv gemessen werden kann.

Ein Forscherteam der MedUni Wien um Oliver Langer und Martin Bauer von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie hat gemeinsam mit der klinischen Abteilung für Nuklearmedizin (Leitung: Marcus Hacker), Gergely Szakács vom Institut für Krebsforschung (Leitung: Maria Sibilia), Csilla Özvegy-Laczka vom Institute of Enzymology der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Walter Jäger vom Department für Pharmazeutische Chemie der Uni Wien und dem AIT Austrian Institute of Technology den Mechanismus der Aufnahme des EGFR Tyrosinkinase-Inhibitors Erlotinib (Tarceva®) in die Leber aufgeklärt.

„Es konnte anhand von PET-Messungen bei gesunden ProbandInnen gezeigt werden, dass Erlotinib in niedrigen Konzentrationen selektiv von dem SLC-Transporter OATP2B1 vom Blut in die Leber transportiert wird, während in klinisch relevanter Dosierung OATP2B1 abgesättigt ist und die Leberaufnahme über passive Diffusion erfolgt. Demzufolge besteht das Risiko, dass Erlotinib in Kombination mit anderen Arzneistoffen, die über OATP2B1 in die Leber gelangen, aufgrund einer Sättigung von OATP2B1 zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann“, erklären Oliver Langer und Martin Bauer. Die Studie leistet einen Beitrag zur Präzisionsmedizin, da sie Faktoren untersucht, die zur Variabilität in der Pharmakokinetik von Erlotinib beitragen und damit zusätzlich zu EGFR-Mutationen das Ansprechen auf Therapie mit Erlotinib maßgeblich beeinflussen könnten.

Diese Studie wurde durch den FWF (KLI 480-B30, F 3513-B25) und die NÖ Forschungs- und Bildungsges.m.b.H. (NFB) (LS12-006, LS15-003) gefördert.

Service: Clinical Pharmacology & Therapeutics
Influence of OATPs on hepatic disposition of erlotinib measured with positron emission tomography. Bauer M, Matsuda A, Wulkersdorfer B, Philippe C, Traxl A, Özvegy-Laczka C, Stanek J, Nics L, Klebermass EM, Poschner S, Jäger W, Patik I, Bakos É, Szakács G, Wadsak W, Hacker M, Zeitlinger M, Langer O https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28940241