(Wien, 19-03-2018) Laut WHO wird die Anzahl der jährlich durch Tabakkonsum verursachten Todesfälle weltweit von bisher 6 Millionen Personen bis auf 8 Millionen im Jahr 2030 zunehmen. Umso wichtiger ist es aus Sicht der Medizinischen Universität Wien einerseits auf die gesundheitsschädlichen Effekte beim Rauchen hinzuweisen und andererseits auf den dringend nötigen Nichtraucherschutz zu pochen – dies angesichts der aktuellen Diskussion rund um das Nichtraucherschutzgesetz in Österreich. Darauf wiesen am heutigen Montag die Experten der MedUni Wien, Rektor Markus Müller, der Kardiologe Christian Hengstenberg, der Pulmologe Marco Idzko und der Arbeits- und Umweltmediziner Manfred Neuberger, hin.
Die Fakten sind eindeutig, so die Mediziner: Österreich liegt laut „Eurobarometer“ mit 33 Prozent Raucherinnen und Rauchern an vierter Stelle unter den 27 europäischen Ländern und fünf Prozentpunkte über dem Europäischen Mittel. Auch die durchschnittlich gerauchte Stückzahl ist mit 18 Zigaretten pro Tag deutlich höher als in den EU-Ländern, wo ein mittlerer Konsum von 14 Stück verzeichnet wird. Laut einer Schätzung des Gesundheitsministeriums sterben in Österreich jährlich 14.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums.
„Wir wollen hier und heute unsere Verantwortung als Medizinische Universität für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion rund um das Nichtrauchschutzgesetz öffentlich unterstreichen und aus wissenschaftlich-medizinischer Sicht die gesundheitsschädliche Wirkung des Tabakrauchs und den notwendigen Schutz der NichtraucherInnen betonen“, sagte MedUni Wien-Rektor Markus Müller.
Beendigung des Passivrauchens zeigt positive Wirkung
„Passivrauchen erhöht erheblich das Risiko für Herzkreislauf-, Atemwegs- und Krebserkrankungen, die zu einer verkürzten Lebenserwartung und Frühinvalidität führen. Über ein allgemeines Rauchverbot konnte durch die Beendigung des Passivrauchens in der Gastronomie in Australien, Nordamerika, Nord- und Westeuropa und Italien gezeigt werden, dass das Auftreten von Herzinfarkten, Schlaganfällen und Atemwegserkrankungen deutlich sinkt“, sagen Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie, und Marco Idzko, Leiter der Klinischen Abteilung für Pulmologie der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Wien.
Der rasche Rückgang der Herzinfarkte nach der Einführung des ausnahmslosen Rauchverbots für Gaststätten ist demnach vor allem auf den Wegfall des Passivrauchens zurückzuführen. Der stärkste Rückgang fand sich bei jüngeren Nichtrauchern, die häufig Lokale aufsuchten, so der Kardiologe. „Weiterhin wird über den Zigarettenrauch Feinstaub freigesetzt, der sowohl mit der Entwicklung von Herzkranzgefäßverkalkungen als auch von akuten Herzinfarkten in Zusammenhang steht. Denn die hohe Feinstaubbelastung beim Passivrauchen aktiviert sofort den Blutdruck, stört den Herzrhythmus, reduziert die automatische Erweiterung der Herzkranzgefäße, um ausreichend Sauerstoff zur Verfügung zu stellen, und erhöht die Blutgerinnung.“
Schutz der Kinder erforderlich
„Die Inhalation von Zigarettenrauch führt, mit jedem Atemzug, zur ‚Lähmung‘ der Flimmerepithelien, die durch den Abtransport von eingeatmeten Partikeln wie Allergenen, Viren oder Bakterien eine wichtige Rolle in der Immunantwort spielen“, erklärt der Pulmologe Marco Idzko. Darüber hinaus kommt es durch das Einatmen von Zigarettenrauch zu einer akuten Entzündung in den Atemwegen, die langfristig zu einer schweren Lungenschädigung (zum Beispiel COPD oder Lungenemphysem) oder durch das Einatmen von krebserregenden Stoffen zum Lungenkrebs führen kann. Idzko: „Sind Kleinkinder passiv Rauch ausgesetzt, so wirkt sich dies negativ auf das Lungenwachstum aus und diese Kinder leiden häufiger an Lungenerkrankungen, wie beispielsweise bronchopulmonalen Infekten oder Asthma bronchiale.“
Entsprechend würde die Umsetzung eines konsequenten Nichtraucherschutzes in öffentlichen Gebäuden bzw. Lokalen zu einer Verbesserung der Lungenfunktion bei „gesunden“ Passivrauchern, zu einer Abnahme der akuten Verschlechterung eines Asthma bronchiale (Asthmaanfall) oder einer COPD (COPD-Exazerbation) führen, aber auch dazu, dass virale oder bakterielle Lungenentzündungen signifikant zurückgehen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, so Idzko, dass durch die Einführung strikter Nichtrauchergesetze der Anteil der Raucher unter den Heranwachsenden dramatisch reduziert wird.
„Berufskrankheit COPD“ bei Angestellten im Gastgewerbe
Der Internist, Arbeits- und Umweltmediziner Manfred Neuberger führt an, dass nichtrauchende Angestellte im Gastgewerbe bis zu 25 mal mehr Nikotin im Harn ausscheiden als an ihren freien Tagen und bis zu 4,5 Mal mehr tabakspezifische Karzinogene. „Das potenteste Lungenkarzinogen des Tabakrauchs nimmt im Harn um sechs Prozent pro Stunde zu, während KellnerInnen ihren Dienst versehen. In dieser Atmosphäre entwickelt sich auch bei Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko für Krebs und vorzeitigen Tod. COPD durch Passivrauchen im Gastgewerbe ist eine anerkannte Berufskrankheit, das Lungenkrebsrisiko verdoppelt sich in acht Jahren beim Servieren im Raucherbereich und kann sich in 40 Jahren verzehnfachen“, sagt Neuberger, der zudem betont, dass der Rauch auch in den Nichtraucherbereich vordringt und dort höhere Feinstaub-Konzentrationen verursacht als an einer verkehrsreichen Straße. Auch die Belastung mit Karzinogenen ist höher und wird nur von jener im Raucherraum übertroffen.
Langfristig ist auch mit der Abnahme von Krebs, Stoffwechselstörungen wie Diabetes Typ 2, Netzhautschäden mit Erblindungsgefahr und anderen Erkrankungen durch Passivrauchen (z.B. der Nasennebenhöhlen) zu rechnen. Neuberger: „Eltern wird durch das Rauchverbot in der Gastronomie die Gefahr bewusst gemacht und sie verzichten auch auf das Rauchen zu Hause oder im Auto in Gegenwart von Kindern oder Schwangeren.“ So konnte laut Neuberger gezeigt werden, dass nach der Einführung einer rauchfreien Gastronomie eine deutliche Abnahme von Frühgeburten und Spitalsaufnahmen von Kindern wegen Asthma (10-18 Prozent) oder wegen Lungenentzündungen (14-18 Prozent) zu verzeichnen waren.
Rauchstopp bringt rasch positive Effekte
In Ländern, die rauchfreie Lokale eingeführt haben, nahmen Krankheits- und Sterbefälle durch Passivrauchen ab, sowohl beim Gaststättenpersonal wie auch bei der Bevölkerung. Die soziale Akzeptanz dieser Luftverunreinigung nahm ebenfalls ab und die Verführung Jugendlicher wurde erschwert. RaucherInnen erleichterten diese gesetzliche Maßnahme den Ausstieg aus der Nikotinsucht oder die Reduktion ihres Tabakkonsums. In allen EU-Ländern, die eine ausnahmslos rauchfreie Gastronomie einführten, sind die Zustimmungsraten in der Bevölkerung gestiegen.
Neue Anti-Rauch-Website der MedUni Wien
Gleichzeitig mit der Pressekonferenz im Rektoratssaal der MedUni Wien wurde eine Website gelauncht (www.meduniwien.ac.at/kontra_rauchen), auf der zahlreiche MedizinerInnen und ForscherInnen der MedUni Wien aus deren spezifischer Fachsicht in kurzen Statements erklären, warum (Passiv-)Rauchen gesundheitsschädlich ist.