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Mitralklappeninsuffizienz: Genauere Klassifizierung des Schweregrads möglich

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(Wien, 23-05-2019) Bei PatientInnen mit funktioneller Mitralklappeninsuffizienz gibt es seit Jahren einen kardiologischen ExpertInnenstreit um die Bestimmung des Schweregrads und damit um die Einschätzung, wann eine Operation an der Klappe unbedingt notwendig ist. Dabei geht es darum, wieviel Blut durch die undichte Klappe zurückfließen „darf“: „In den USA wird derzeit erst bei 60 Millilitern operativ eingegriffen, in Europa aber bereits bei 30 Millilitern“, erklären Philipp Bartko und Georg Goliasch (Universitätsklinik für Innere Medizin II).  Die Kardiologen der MedUni Wien bzw. des AKH Wien konnten nun in einer Studie erstmalig den genauen Zusammenhang zwischen dem zurückfließenden Blut und dem Überleben von Betroffenen zeigen und damit einen neuen Grenzwert für die optimale Klassifizierung hinsichtlich einer Klappenoperation festlegen. 

Bei der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz handelt es sich um eine Störung der Schließfähigkeit bzw. Undichtheit. Die Mitralklappe ist eine von vier Klappen des Herzens. Sie befindet sich zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer, wo sie den Rückfluss von Blut aus der linken Herzkammer in den linken Vorhof bei Kontraktion dieser Kammer verhindern soll – diese Funktion ist bei der Mitralklappeninsuffizienz gestört. Sie ähnelt in ihrer Form einer Bischofsmütze (altgriechisch „Mitra“), daher der Name, und besteht aus zwei Segeln.

Neue Behandlungsgrundlagen im Sinn der Präzisionsmedizin
„Wir konnten zeigen, dass 45 Milliliter als Cut-Off ausreichen“, betonen Goliasch und Bartko. „Das wird die derzeitigen Behandlungsleitlinien weltweit revolutionieren – insbesondere im Sinn der Präzisionsmedizin. Dadurch können wir viel besser einschätzen, wer welche Therapie zu welchem Zeitpunkt braucht“, ergänzt Martin Hülsmann, Leiter der Spezialambulanz für Herzschwäche. Die Studie wurde im Top-Journal „Journal of the American College of Cardiology“ publiziert.

Gleichzeitig konnten sie kategorisieren, dass ein Rückfluss von unter 20 Milliliter völlig unbedenklich ist und dass es eine „Mittelgruppe“ gibt, die einer weiteren Klassifizierung bedarf. In dieser Gruppe liegt der Rückfluss zwischen 20 und 45 Millilitern. Dabei konnte ebenfalls ein neuer Marker im in der Herzkammer hin- und herwogenden Blut nachgewiesen werden, um die Notwendigkeit einer Operation noch besser einzuschätzen: „Kommen von den zum Beispiel 30 Millilitern weniger als 50 Prozent wirklich wieder in den menschlichen Kreislauf zurück, dann ist auch hier ein Eingriff notwendig.“

Die interventionelle Behandlung kann, um das Problem nachhaltig zu beheben, entweder konventionell chirurgisch oder minimalinvasiv durch das Setzen eines Clips auf die beiden Segel der Mitralklappe erfolgen. Dies geschieht ohne Öffnung des Brustkorbs. „Wir können die funktionelle Mitralklappeninsuffizienz im neuen Hybrid-OP-Saal im AKH Wien ausgezeichnet katheterbasiert jederzeit behandeln. Hier agieren wir absolut auf dem neuesten und besten Stand der verfügbaren Technik.“

Service: Journal of the American College of Cardiology
“A Unifying Concept for the Quantitative Assessment of Q1 Secondary Mitral Regurgitation”. P. Bartko, H. Arfsten, G. Heitzinger, N. Pavo, A. Toma, G. Strunk, C. Hengstenberg, M. Hülsmann und G. Goliasch. JOURNAL OF THE AMERICAN COLLEGE OF CARDIOLOGY, May 2019.
https://doi.org/10.1016/j.jacc.2019.02.075