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Thrombosen: Wirkstoff Rivaroxaban bald auch für Kinder verfügbar

Internationale klinische Studie bestätigt gute Wirksamkeit und Sicherheit bei Kindern und Jugendlichen
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(Wien, 05-11-2019) Medikamente können bei Kindern andere Wirkungen haben als bei Erwachsenen, was nicht nur eine Frage der richtigen Dosierung ist. Dennoch gibt es bisher noch wenige, speziell für diese Patientengruppe geprüfte und zugelassene Medikamente. Zur Behandlung von Thrombosen erhalten Kinder bisher Heparin und Vitamin K-Antagonisten, die problematisch und nicht für Kinder zugelassen sind. Nun wurde im Rahmen einer internationalen Studie das für Erwachsene zugelassene Medikament Rivaroxaban bei Kindern mit akuter venöser Thromboembolie auf Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zur Standardbehandlung untersucht – mit positiven Ergebnissen. Studienleiter war der Kinderarzt Christoph Male von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien. Die Studie wurde im Topjournal Lancet Haematology publiziert.




Arzneimittelentwicklung für Kinder wurde lange vernachlässigt, insbesondere, weil es für die Durchführung von Studien bei Kindern viele ethische und praktische Hürden gibt. Daher werden Kinder zwangsläufig oft mit Medikamenten behandelt, die nicht für diese Altersgruppe zugelassen sind. Die Dosierung wird dann aufgrund von Erfahrungswerten nach Körpergewicht geschätzt, was das Risiko fehlender Wirkung oder unerwünschter Wirkungen birgt, weil Kinder keine „kleinen Erwachsenen“ sind und auf Wirkstoffe anders reagieren können.

Seit 2007 gibt es in der Europäischen Union die „Paediatric Regulation“ mit dem Ziel, die Arzneimittelsicherheit bei Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Pharmahersteller müssen nun für Erwachsene zugelassene Wirkstoffe auch für den therapeutischen Einsatz bei Kindern prüfen. So wurde nun ein extensives klinisches Studienprogramm unter Mitbeteiligung der MedUni Wien durchgeführt, mit dem Ziel, Rivaroxaban als Medikament zur Behandlung venöser Thromboembolien für Kinder zuzulassen. Dabei handelt es sich um eine moderne Substanz zur Hemmung der Blutgerinnung, die oral eingenommen werden kann. Heparin dagegen muss den PatientInnen injiziert werden und dessen Spiegel müssen regelmässig mittels Blutabnahmen überprüft werden. Thrombosen sind im Kindesalter zwar etwa hundertfach seltener als bei Erwachsenen, treten aber bei schwer kranken Kindern als Sekundärkomplikation auf. Für Wien liegt die Schätzung bei rund einhundert Thrombosefällen bei Kindern pro Jahr.

Das Programm durchlief die drei üblichen Studienphasen für Arzneimittelentwicklung. Als Voraussetzung wurde zuerst eine für Kinder geeignete Verabreichungsform entwickelt. Rivaroxaban kann nun als Flüssigkeit oral gegeben werden, was eine exakte Dosierung und verlässliche Verabreichung auch bei Kleinkindern und Babys ermöglicht. In den ersten Studienphasen wurden für Kinder aller Alters- und Gewichtsklassen geeignete Dosierungen ermittelt. In der Phase 3-Studie wurden an der MedUni Wien und insgesamt 107 internationalen Zentren rund 500 an Thrombose erkrankte Kinder im Alter vom Neugeborenen bis zu 17 Jahren mit Rivaroxavan oder der Standardtherapie behandelt. Studienleiter Christoph Male: „Die Ergebnisse zeigen eine zumindest gleich gute Wirksamkeit und Sicherheit von Rivaroxaban im Vergleich mit der Standardtherapie. Diese Ergebnisse werden auch dadurch untermauert, dass sie mit jenen aus früheren Studien mit erwachsenen Patienten vergleichbar sind.“ Die Studienergebnisse wurden als late-breaking abstract beim Kongress der International Society of Thrombosis and Haemostasis in Melbourne im Juli 2019 präsentiert.

Solide Daten für Kinder
Das Medikament wird in der EU voraussichtlich 2020 für Kinder zugelassen werden und dann auch in der kindergerechten Suspension erhältlich sein. Christoph Male: „Endlich haben wir verlässliche Daten zur Thrombosebehandlung bei Kindern. Dies war die mit Abstand größte je durchgeführte Studie in diesem Therapiebereich. Neben der bestätigten Wirksamkeit und Sicherheit hat Rivaroxaban eine Reihe von praktischen Vorteilen speziell für Kinder und wird zukünftig sicher eine große Rolle in deren Behandlung spielen. Wir würden uns wünschen, dass alle Medikamente für Kinder so solide Daten hätten“.

Service: Lancet Haematology
Randomized controlled trial of rivaroxaban compared to standard anticoagulants for the treatment of acute venous thromboembolism in children. Christoph Male, Anthonie W.A. Lensing, Joseph S. Palumbo, Riten Kumar, Ildar Nurmeev, Kerry Hege, Damien Bonnet, Philip Connor, Hélène L. Hooimeijer, Marcela Torres, Anthony K.C. Chan, Gili Kenet, Susanne Holzhauer, Amparo Santamaría, Pascal Amedro, Elizabeth Chalmers, Paolo Simioni, Rukhmi V. Bhat, Donald L. Yee, Olga Lvova, Jan Beyer-Westendorf, Tina T. Biss, Ida Martinelli, Paola Saracco, Marjolein Peters, Krisztián Kállay, Cynthia A. Gauger, M. Patricia Massicotte, Prof Guy Young, Akos F. Pap, Madhurima Majumder, William T. Smith, Jürgen F. Heubach, Scott D. Berkowitz, Kirstin Thelen, Dagmar Kubitza, Mark Crowther, Martin H. Prins and Paul Monagle, for the EINSTEIN-Jr. Phase 3 Investigators.
doi.org/10.1016/S2352-3026(19)30219-4.
https://www.thelancet.com/journals/lanhae/article/PIIS2352-3026(19)30219-4/fulltext