(Wien, 27-12-2020) Die ersten Impfungen gegen das Coronavirus in Österreich sind Sonntagvormittag an der MedUni Wien an eine Reihe von Freiwilligen verabreicht worden. Eine 84-Jährige, die endlich ohne Bedenken ihre Kinder, Enkel und Urenkel wiedersehen wollte, machte den Anfang. Es folgten eine weitere Seniorin und ein betagter Mann, alles Risikopatienten über 80 mit Vorerkrankungen, wie im Voraus mitgeteilt worden war. Als Vierte und Fünfter wurden Angehörige des Gesundheitspersonals geimpft.
Durchgeführt wurden die ersten Injektionen von Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie und Vorsitzende der österreichischen Impfkommission, im Beisein des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres. Die Seniorinnen und Senioren hatten sich in der Spezialambulanz für Risikopatienten der MedUni freiwillig für die Teilnahme gemeldet. Zahlreiche weitere Patienten ließen sich ebenso bereits auf eine Liste für die Immunisierung eintragen, teilten die Verantwortlichen mit. Ein gewisser Schutzeffekt soll laut Hersteller schon sieben Tage nach der ersten Teilimpfung gegeben sein.
Wiedermann-Schmidt verabreichte die allererste Spritze der 84-Jährigen. "Hat es wehgetan?", erkundigte sich die Ärztin. Die Seniorin überstand den historischen Moment ebenso stoisch und gefasst wie die folgende Probandin. In den nächsten Tagen könne an der Einstichstelle eine Rötung auftreten, erklärte ihr die Medizinerin, und betonte noch: "Sie können mich jederzeit anrufen." Neben den beiden Seniorinnen und dem Senior erhielten auch eine Mitarbeiterin aus dem Pflegebereich und der Leiter einer Covid-Station die erste von zwei Teilimpfungen. Um 9.15 Uhr war die Runde mit den ersten fünf Personen zu Ende, danach folgten weitere Freiwillige.
"Die Frau Professor macht das sehr sanft", beruhigte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres. "War das was?", fragte der Pensionist, der den Stich offenbar kaum gespürt hatte. "Die Reaktionen kommen erst nach der zweiten Impfung?", erkundigte er sich bei der Ärztin. Wiedermann-Schmidt klärte über mögliche Reaktionen - Rötungen und Schwellung an der Einstichstelle - auf.
Ebenfalls unter den ersten, die am Sonntag eine Impfung erhielten, war Bernhard Rössler, Leiter der Covid-Intensivstation am AKH. Er betreut mit seinem Team Patienten, die schwerst an Covid erkrankt sind und künstliche Beatmung benötigen. Das sei eine "unfassbare Belastung" für die Kranken, die Mediziner und die Angehörigen der Patienten. "Wenn die Impfung ein Schritt in die Richtung ist, das Leben zu normalisieren, leiste ich gerne einen Beitrag", betonte der Arzt. "Ich tue das für den Schutz meiner Familie, aber auch aus Verantwortung gegenüber der Gesellschaft."
Im Nebenraum warteten unterdessen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) auf die Probanden, die sich dort für einige Minuten ausruhen sollten.
In den meisten anderen Bundesländern sollten im Tagesverlauf ebenfalls symbolische Starts der größten Impfkampagne in der Geschichte Österreichs stattfinden. Die erste zur Verfügung stehende Vakzine gegen Covid-19 der Firmen Biontech und Pfizer war am Samstag in den EU-Ländern ausgeliefert worden. Rund zehn Monate nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa begannen somit am ersten Sonntag nach Weihnachten 2020 die Impfungen auch in Italien, Frankreich und zahlreichen weiteren EU-Staaten. In einigen anderen war schon am Samstag damit angefangen worden. Als erste erhalten besonders gefährdete Menschen das Präparat.
In Österreich hat am Tag zuvor, dem Stefanitag, zudem der dritte Lockdown begonnen. Dieser soll mit strikten Einschränkungen die nach einem eher ruhigen Sommer zeitweise drastisch gestiegenen Zahlen an Neuinfektionen und Todesfällen weiter senken.
(APA)