(Wien, 03-02-2020) Die Zahl der Krebs-Neuerkrankungen ist in Österreich zwischen 2009 und 2020 von 38.218 Fällen auf 41.299 Fälle pro Jahr angestiegen. Das ist ein Plus von acht Prozent. ExpertInnen erwarten bis 2030 einen Anstieg auf 43.706 Erkrankungen pro Jahr, was eine Zunahme von 14 Prozent wäre. Gleichzeitig gibt es aber auf den Gebieten der Diagnose und der Therapie positive Entwicklungen, die dazu führen, dass die Anzahl der Personen, die an Krebs versterben, zurückgeht und dass die Lebensdauer und die Lebensqualität der Betroffenen steigen. Das berichten die ExpertInnen des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar 2020.
Wesentlichen Anteil an diesem Fortschritt haben die Forschung im Bereich der Präzisionsmedizin und die Innovationen, die sich daraus ableiten. Das tiefere Verständnis der Tumorbiologie und der Genetik, die hinter der Erkrankung stehen, führt zum einen zu besserer Vorsorge und Prävention bei Risikogruppen. Zum anderen können Therapieempfehlungen wesentlich individueller und damit treffsicherer erstellt werden.
Vom besseren Verständnis …
An der MedUni Wien laufen zahlreiche Studien, die sich mit dem genetischen Aspekt der Erkrankung auseinandersetzen. So waren Shahrokh Shariat, Leiter der Universitätsklinik für Urologie der MedUni Wien und des AKH Wien sowie Mitglied des CCC, und sein Team maßgeblich an einer aktuellen internationalen Studie beteiligt, die in den USA zur Zulassung eines hochwirksamen Medikaments für das fortgeschrittene Prostatakarzinom geführt hat, bei dem eine Mutation der BRCA-Gene vorliegt. Die Substanz wird bereits erfolgreich für die Therapie von erblichem Brust- und Eierstockkrebs eingesetzt, also in Fällen, in denen eine Veränderung dieser Gene ebenfalls nachweisbar ist. Shariat: „In der Studie konnten wir zeigen, dass das Medikament auch im Prostatakarzinom hochwirksam ist. Wir rechnen daher mit der baldigen Zulassung in der EU. Damit sind wir unserem Ziel, ein längeres und besseres Leben für unsere PatientInnen zu erreichen, wieder einen Schritt näher.“
… über die innovative Behandlung …
Vielversprechende Innovationen gibt es auch im Bereich der Nuklearmedizin, die bislang primär zur Diagnose eingesetzt wurde. Neu sind hier sogenannte theranostische Konzepte, die wie eine zielgerichtete Bestrahlung von innen wirken. Bei diesen Verfahren werden sehr niedrig dosierte Medikamente verabreicht, die an einer bestimmten Zielstruktur am Tumor binden und mit einem radioaktiven Atom versehen wurden. So können Zielstrukturen an Krebszellen mit Hilfe dieser sogenannten Radiopharmaka dargestellt und unter Austausch der radioaktiv wirksamen Substanzen direkt therapiert werden. Die Therapie ist hocheffizient und nebenwirkungsarm: Da die Medikamente gezielt an der Krebszelle andocken, gelangt die Strahlung direkt zum Tumor und tötet ihn ab, ohne andere Strukturen zu sehr zu schädigen. Marcus Hacker, Leiter der Klinischen Abteilung für Nuklearmedizin der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien und des AKH Wien sowie Mitglied des CCC: „Unsere eigenen aber auch internationale wissenschaftliche Ergebnisse zeigen, dass die theranostische Behandlung zu einer deutlichen Lebensverlängerung führt. Wir rechnen damit, dass wir das Verfahren beim Prostatakarzinom ab Herbst auch außerhalb von Studien anwenden können.“
… bis zur personalisierten Rehabilitation
Einen wesentlichen Beitrag zur Verlängerung der Lebensdauer und der Lebensqualität tragen auch die onkologische Rehabilitation und Nachsorge bei. Hier ist ein individueller Ansatz unumgänglich, um die persönlichen körperlichen, mentalen und psychosozialen Ressourcen der PatientInnen gezielt zu nutzen. Das CCC der MedUni Wien und des AKH Wien betreibt daher seit mittlerweile zehn Jahren ein Tumorboard und auch eine Forschungsplattform in diesem Bereich. Richard Crevenna, Leiter der Universitätsklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien sowie Mitglied des CCC dazu: „Unsere Forschung in den Bereichen der onkologischen Rehabilitation und der Medizinischen Trainingstherapie zeigt deutlich, dass regelmäßige, medizinisch betreute körperliche Aktivität die Prognose einiger Krebsarten signifikant verbessern kann.“ Dies betrifft nicht nur die Lebensdauer, sondern auch die soziale und berufliche Teilhabe, was vor allem für PatientInnen im arbeitsfähigen Alter eine enorme Rolle spielt.