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COVID-19 in Afrika: Verlauf bisher nicht so schlimm wie befürchtet

Mögliche Ursache: Das an häufige Infektionskrankheiten angepasste Immunsystem der jungen Bevölkerung
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J. Patrick Fischer Gesundheitsministerium Osttimor
Copyright/J.P. Fischer / Gesundheitsministerium Osttimor/Wiki Commons

(Wien, 10-08-2020) Die infolge der Pandemie erwartete hohe Krankheits- und Todesrate ist bisher in Afrika ausgeblieben. Eine Gruppe afrikanischer und europäischer ForscherInnen, darunter der Tropenmediziner Bertrand Lell von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der MedUni Wien, analysierte nun die möglichen Ursachen. Eine Erklärung könnte in der generell größeren Häufigkeit von Infektionskrankheiten liegen, die das Immunsystem der Bevölkerung verändern. Für den weiteren Verlauf lassen sich daraus jedoch aufgrund mangelnder Datenlage und der ähnlich wie in Europa eingesetzten Maßnahmen noch keine Szenarien ableiten. Der Übersichtsartikel wurde im Topjournal „Science“ publiziert.

Bisher verläuft die COVID-19-Pandemie in Afrika nicht so schlimm, wie ExpertInnen aufgrund der schwachen staatlichen Gesundheitssysteme, der großen Ballungsräume und der geringen finanziellen Möglichkeiten zur Setzung von Maßnahmen befürchtet hatten. Es bleibt unklar, ob die Pandemie seit ihrem Eintreffen am afrikanischen Kontinent vor rund vier Monaten tatsächlich einen anderen Verlauf nimmt, oder ob eine große Zunahme der Todesfälle noch kommen könnte.

Eine Gruppe afrikanischer und europäischer ForscherInnen analysierte nun die Situation, darunter auch Bertrand Lell von der Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der Universitätsklinik für Innere Medizin I und Leiter des Centre de Recherches Médicale de Lambaréné in Gabun. Die ForscherInnen kamen zum Schluss, dass die meisten afrikanischen Länder sich relativ früh auf die Pandemie vorbereitet und zur gleichen Zeit wie in Europa Maßnahmen gesetzt haben, darunter Reisebeschränkungen, Schulschließungen und das Testen in Verdachtsfällen: „So konnte Zeit gewonnen werden für weitere strategische Planungen von Quarantäne-Verordnungen, Kontakt-Tracing und Social Distancing. Zudem hat Afrika bereits große Erfahrung im Umgang mit Infektionskrankheiten wie Ebola und Lassa-Fieber“, erklärt Lell.

Andererseits wurden die Maßnahmen von Teilen der Bevölkerung oft nicht eingehalten, was die Verbreitung der Pandemie dennoch nicht vergrößert hat, betont Lell. Eine Erklärung dafür könnte die vergleichsweise junge Population in Afrika sein. Die COVID-19-bedingten Todesfälle betrafen vor allem alte Menschen. Das durchschnittliche Alter beträgt in Afrika derzeit 19,7 Jahre im Gegensatz zu 38,6 Jahren in Amerika. Die genetischen Varianten des Corona-Virus entsprechen jenen in Europa.

Eine mögliche Erklärung für den aktuellen Verlauf in Afrika könnte laut Lell die weite Verbreitung häufiger Infektionskrankheiten sein, etwa bedingt durch Parasiten. Diese können das Immunsystem verändern und führen auch zu einer Verminderung von überschießenden Entzündungsreaktionen, die zunehmend als Ursache für schwere COVID-19-Verläufe erkannt werden. Allerdings fehlen dazu noch ausführliche Daten.

Maßnahmen wie die Einschränkung von Versammlungen, Schließung von Restaurants, Kirchen und Moscheen werden derzeit trotz hoher Verbreitung zurückgefahren, ähnlich wie in Europa. Welchen Einfluss das auf den weiteren Verlauf hat, ist noch nicht absehbar. Die Qualität von Gesundheits- und Mortalitätsdaten ist in Afrika generell schlecht, weshalb auch kaum Übersterblichkeitsanalysen für einen Länder-Vergleich gemacht werden können.

Die Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der MedUni Wien hat eine langjährige Partnerschaft mit dem "Centre de Recherches Medicales de Lambarene" (CERMEL) im zentralafrikanischen Gabun. Das unabhängige Zentrum im afrikanischen Staat Gabun erforscht tropenspezifische Infektionserkrankungen und hat dabei mehrere internationale Kooperationspartner, darunter die MedUni Wien.

Service: Science
“COVID-19 in Africa: Dampening the storm? The dampened course of COVID-19 in Africa might reveal innovative solutions.” Moustapha Mbow, Bertrand Lell, Simon P Jochems, Badara Cisse, Souleymane Mboup, Benjamin G. Dewals, Assan Jaye, Aalioune Dieye, Maria Yazdanbakhsh.

DOI: 10.1126/science.abd3902. https://science.sciencemag.org/content/369/6504/624.