(Wien, 20-03-2020) Eine Arbeitsgruppe der Abteilung für Zell- und Entwicklungsbiologie der MedUni Wien unter der Leitung von Mark Wossidlo hat in Kooperation mit der Universität Stanford die Rolle eines Faktors in der frühen Embryonalentwicklung identifiziert: Es geht dabei um das Protein Zscan4, das den frühen Embryo während der Aktivierung der ersten eigenen Gene vor DNA-Schäden und DNA-Strangbrüchen nachweislich schützt. Bisher war nicht bekannt gewesen, warum Zscan4 bei der sogenannten embryonalen Genomaktivierung – wenn zum ersten Mal das Erbgut des Embryos aktiviert wird – derart hoch ausgeschüttet wird und welche Funktion es hat.
„In unserer Studie konnten wir einen Mechanismus erschließen, den die Evolution so eingerichtet hat, um den frühen Embryo während Zeiten hoher genomischer Belastung vor tödlichen DNA-Schäden zu bewahren“, erklärt der Epigenetiker und Embryologe Mark Wossidlo, der diese Arbeit am Tiermodell als Postdoc an der Stanford University in den USA begonnen hatte und nun in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Joanna Wysocka an der MedUni Wien finalisiert hat. „Wenn in dieser sehr frühen Phase des Lebens, in den ersten Stunden oder Tagen, der frühe Embryo seine eigenen Gene nicht gefahrlos aktivieren kann, gibt es gar kein Leben.“
Wichtiger Schutz in Stressphase früher Embryonen
Zum Hintergrund: Die befruchtete Eizelle, die Zygote, ist ein sogenannter „Alleskönner“, aus der sich alle weiteren Zellen entwickeln können, die für die Entstehung eines neuen Lebens benötigt werden. Diese Fähigkeit nennt man „totipotent“. Auch nach der ersten Teilung im nächsten Stadium der Entwicklung, im 2-Zell-Stadium, bleibt diese Totipotenz noch erhalten. Die Zellen des späteren Embryos in der Blastozyste hingegen sind „lediglich“ pluripotent und können sehr viele Zelltypen bilden, aber eben nicht alle.
In dieser totipotenten 2-Zell-Phase (im Mausmodell) kommt es zur embryonalen Genomaktivierung, dabei wird der 2-Zeller in wenigen Tagen zur mehrzelligen Blastozyste unter der Beteiligung eigener embryonaler Gene. „Kurz nach der Befruchtung kommt es erstmals zur Aktivierung von Tausenden von embryonalen Genen zur gleichen Zeit. Das Erbgut dieser Zellen gerät währenddessen in gewaltigen Stress, wodurch es zu instabilen DNA-Faltungen und auch letalen DNA-Schäden kommen kann“, sagt Wossidlo. Genau das verhindert das Protein Zscan4, das an sogenannte Mikrosatelliten (Wiederholungen von kurzen, nichtcodierte DNA-Sequenzen) andockt und während der Aktivierung der embryonalen Gene für den Schutz des Genoms und dessen nachhaltige Stabilität sorgt - in dem es verhindert, dass sich eine zickzackförmige Z-DNA bildet, welche sehr anfällig für DNA-Strangbrüche ist und zur genetischen Instabilität führen kann.
Die WissenschafterInnen konnten im Labor nachweisen, dass das Protein Zscan4 spezifisch an diese Mikrosatelliten bindet und diese vor der Bildung einer Z-DNA Struktur beschützt. Sie konnten außerdem zeigen, dass, wenn man Zscan4 während der embryonalen Genomaktivierung entfernt, es genau zu diesen letalen Erbgut-Schädigungen im 2-Zell-Embryo kommt.
Wossidlo: „Damit haben wir einen weiteren, wichtigen Mechanismus identifiziert, der unser Verständnis darüber vergrößert, welche Mechanismen in der ganz frühen Phase des Lebens zur erfolgreichen Entwicklung eines neuen Lebewesens beitragen.“ Das ist auch generell die Zielsetzung dieser an Grundlagen forschenden Arbeitsgruppe an der MedUni Wien: Zu erkennen, welche Prozesse die Keimzellen des Lebens kurz nach der Befruchtung zu diesen „Alleskönner“-Zellen „re-programmieren“ und welche Auswirkungen eine fehlerhafte Reprogrammierung auf künftige Generationen haben könnten. Die Gruppe konzentriert sich hierbei vor allem auf die Rolle der Epigenetik, also die erbliche Modifikation des Erbguts, welche ohne eine Änderung der DNA-Sequenz die Aktivität von Genen beeinflussen kann.
Service: Science Advances
“Zscan4 binds nucleosomal microsatellite DNA and protects mouse two-cell embryos from DNA damage.” Srinivasan R., Nady N., Arora N., Hsieh L., Swigut T., Narklikar G., Wossidlo M. and Wysocka J.