Wien (APA/25-05-2020) An der MedUni Wien/AKH Wien ist am vergangenen Montag erstmals in Europa an einem Covid-19-Erkrankten eine Lungentransplantation durchgeführt worden. Die 45-jährige Patientin wäre aufgrund eines schweren Lungenversagens sonst nicht mehr zu retten gewesen. Der Eingriff war daher dringend notwendig, aber auch höchstkompliziert. Die Kärntnerin ist eine knappe Woche danach auf dem Weg der Besserung.
"Aus unserer Sicht geht es ihr jetzt hervorragend, wir haben kein gravierendes Problem bisher. Sie wacht jetzt langsam auf", sagte Walter Klepetko, der Leiter der Universitätsklinik für Chirurgie und Leiter der Klinischen Abteilung für Thoraxchirurgie der MedUni Wien/AKH Wien, am Sonntag im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. "Die Organe funktionieren alle, wir sind alle zufrieden. Aber der Weg wird schon noch länger sein, bis wir sie hoffentlich endlich aus dem Krankenhaus herausbringen werden."
Die kritischste Phase sei vorbei, es könnte allerdings noch etwas passieren. "Wir sind aber optimistisch, dass wir die Karten wieder voll in der Hand haben." An der MedUni Wien/AKH Wien wurden bereits mehr als insgesamt 2.000 Lungen transplantiert. Über diesen nun aktuellen Fall hatten die "Kronen Zeitung" und die "Kleine Zeitung" zuerst berichtet.
Die Patientin war nach Informationen der MedUni Wien/AKH Wien ohne Vorerkrankungen und vor der vor acht Wochen erfolgten Corona-Infektion bei bester Gesundheit gewesen. Das hat letztlich zum positiven Verlauf der Transplantation beigetragen. Bald nach der Erkrankung habe sich der Zustand der Frau so sehr verschlechtert, dass sie beatmet werden musste. "Die Lage war aussichtslos. Die Lunge war wie ein Klotz, da war nichts mehr über", klärte Klepetko auf.
Es entwickelte sich bei der 45-Jährigen ein Totalversagen der Lunge, sodass sie nicht mehr künstlich beamtet werden konnte und nur noch durch eine Kreislaufpumpe (ECMO - Extracorporale Membran Oxygenation) am Leben gehalten wurde. "Drei, vier Wochen ist sie an dieser Pumpe gehangen", so Klepetko. Die Entscheidung zur Transplantation wurde schließlich gefällt, da keine Chance auf Erholung der Lunge bestand und die anderen Organe der Kärntnerin einigermaßen einwandfrei funktionierten.
Eine Woche vor dem Eingriff war die Frau aus Klagenfurt mit einem Blackhawk-Helikopter des österreichischen Bundesheeres nach Wien auf die Intensivstation gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt waren in ihrem PCR-Test noch Coronaviruspartikel feststellbar, die jedoch nicht mehr als infektiös eingestuft wurden, was letztlich über sieben Tage durch eine negative Viruskultur bewiesen wurde, wie Klepetko betonte. "Das war der Zeitpunkt, wo wir gesagt haben, 'go', wir gehen zur Transplantation."
Denn es sei eine Null-Chance gewesen, dass die Lunge je wieder hätte kommen können. Klepetko: "Das erste Organ-Angebot haben wir nicht realisieren können, da die Qualität des Organs nicht okay war. Beim zweiten Organ-Angebot haben wir eine schöne Lunge bekommen, die wir verwenden konnten. Beide Lungen sind aus Partnerländern gekommen. Das zeigt, wie wichtig der internationale Verbund ist." Die Schwierigkeit sei weit höher als bei einer normalen Transplantation gewesen. Klepetko: "Das ist wirklich Champions League."
Er gab an, dass bei einem vier Wochen an der Blutpumpe gehangenen Patienten einiges durcheinander komme. "Die Blutgerinnung funktioniert nicht, es gibt massive Gerinnungsprobleme bei der Transplantation. Man braucht viel mehr Konserven als normal." Auch musste mehrfach eine Art Blutwäsche durchgeführt werden, um Antikörper aus dem Blut herauszuwaschen. "Das ist nicht die Arbeit einer Person, nicht die meines Teams, sondern eines viel größeren Teams. Der Aufwand ist apokalyptisch hoch - aber es zahlt sich aus."
Die Transplantation ist laut dem Mediziner unter extrem schwierigen Umständen erfolgt. "Die Patientin hatte keine ausreichende Zahl an Blutplättchen, und da auch Antikörper nachweisbar waren, mussten diese mittels Immunapherese zuerst ausgewaschen werden, damit sie das Organ nicht abstößt." Auch beim Transport der Lunge und bei der Vorbereitung auf die Operation hätten insbesondere wegen der erforderlichen Covid-19-Logistik mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen erschwerte Bedingungen geherrscht.
Wichtig für den Transplantationserfolg sei auch das relativ junge Alter der Patientin, die keine Vorerkrankungen hatte. Das ist laut Klepetko die Voraussetzung, dass man sich auf derart komplexe Dinge einlassen könne. "Das ist nicht eine Transplantation wie bei einem, der daheim sitzt vor dem Fernseher und wartet, dass er ein Organ kriegt. Das ist ja wie Semmelbacken heutzutage. Das ist eine hochkomplexe Sache. Der Großteil der Verstorbenen sind ältere Patienten mit vielen Nebenerkrankungen, wo dann drei, vier Organe versagen."
Klepetko: "Wichtig für einen Erfolg ist in derartigen Fällen die reibungslose und gute Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen Anästhesie, Chirurgie, Intensivmedizin, Infektiologie und vieler anderer." Der Chirurg wies darauf hin, dass die Transplantation nur mithilfe dieses großen Teams erfolgreich durchgeführt werden konnte.
Vor diesem Fall in Wien sind nur zwei Lungen-Transplantationen an Covid-19-Patienten in China bekannt. Von da gab es im AKH aber keine Erfahrungswerte, vielmehr stütze man sich auf die langjährige eigene Erfahrung. Diese sei insbesondere mit vielen komplexen Fällen aus dem Ausland aufgebaut worden. "Über eine derartig umfangreiche Erfahrung verfügen nur wenige Zentren weltweit", erläuterte Klepetko. Neben Toronto, Cleveland und Hannover gehöre Wien mit 100 Lungentransplantationen im Jahr zu den weltweit größten Programmen.
(APA) tb/gu