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Depressionen zeigen sich bei Männern anders als bei Frauen

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(Wien, 31-10-2022) Depressionen werden bei Männern seltener diagnostiziert als bei Frauen. Ein möglicher Grund dafür liegt in der nach wie vor mangelnden Kenntnis darüber, dass sich die psychische Erkrankung bei Männern mit anderen Symptomen äußert als bei Frauen. Johannes Wancata von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien schärft anlässlich des Weltmännertags das Bewusstsein dafür, dass unter anderem bei anhaltender Reizbarkeit oder auffälligem Risikoverhalten das Vorliegen einer Depression in Betracht gezogen und professionelle Hilfe gesucht werden sollten. Der Weltmännertag wird jährlich am 3. November als Aktionstag zur Männergesundheit begangen.

Erst in den vergangenen Jahren wurde das Konzept der „Male Depression“, also der männlichen Depression, in Fachkreisen entwickelt. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei Männern bestimmte Anzeichen häufig die üblichen, bekannten Symptome einer Depression überlagern. Während eine gedrückte Stimmungslage, der Verlust von Interessen und Freude, verminderter Antrieb, aber auch Schuldgefühle, vermindertes Selbstwertgefühl, Pessimismus, herabgesetzte Aufmerksamkeit, Suizidgedanken bzw. Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit bei beiden Geschlechtern auf eine Depression hinweisen können, finden sich bei Männern zusätzlich häufiger Reizbarkeit, Aggressivität und Risiko- bzw. Suchtverhalten.

Das Wissen über diese Gender-Unterschiede hat bislang weder in die offizielle Diagnostik noch in das öffentliche Bewusstsein Eingang gefunden. Bekannt hingegen ist, dass Alkoholabhängigkeit bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen. Ob es sich dabei um eine durch den Alkoholkonsum „verdeckte“ Depression handelt oder um ein eigenes Krankheitsbild, kann nach aktuellem Stand der Wissenschaft wiederum nicht eindeutig beantwortet werden. „Jenseits dieser akademischen Diskussion sind die beschriebenen Symptome bei Männern unbedingt ernst zu nehmen und ärztlich abzuklären“, betont Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien.

Auch unterschiedliche Auslöser
In Österreich leben derzeit rund 730.000 Menschen mit einer Depression, 264.000 davon gehören dem männlichen Geschlecht an. Dass Depressionen bei Männern seltener diagnostiziert werden, wird heute nur mehr zum Teil darauf zurückgeführt, dass sie seltener ärztliche Hilfe suchen als Frauen. Laut Forschungen könnten dabei auch die Hormone eine Rolle spielen. So wird z. B. eine unterschiedliche Dichte an Östrogen- und Progesteronrezep-toren in diesem Zusammenhang als weitere mögliche Erklärung diskutiert.
Gender-Unterschiede beschreiben Wissenschafter:innen auch bei den möglichen Auslösern von Depressionen: „Zahlreiche Studien berichten über soziale Risikofaktoren für das Auftreten von Depressionen bei Frauen. Dazu gehören die Mehrfachbelastung durch Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf. Während zwischenmenschliche Konflikte bei Frauen das Erkrankungsrisiko erhöhen, sind dies bei Männern Scheidung, Trennung aus einer Beziehung und Probleme am Arbeitsplatz“, berichtet Johannes Wancata aus der Forschung.

Symptome zumindest über Wochen
Im Laufe eines Jahres leiden in Österreich 7,4 Prozent der Männer und 12,6 Prozent der Frauen an einer Depression, wie eine im Jahr 2017 an der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der MedUni Wien durchgeführte repräsentative Studie ergab. Auch wenn es bei beiden Geschlechtern klare Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen negativem Stress und dem Entstehen von Depressionen gibt, lasse sich die oftmals kolportierte steigende Zahl Betroffener aufgrund der aktuellen Krisenlage laut Johannes Wancata nicht eindeutig bestätigen: „Es ist völlig gesund, auf Bedrohungen oder Krisen etwa mit Angst, Sorgen oder Pessimismus zu reagieren. Wenn jedoch Symptome zumindest über mehrere Wochen durchgehend vorhanden und so ausgeprägt sind, dass der Alltag nur mehr eingeschränkt bewältigt werden kann, sollte eine psychische Erkrankung in Erwägung gezogen werden.“