(Wien, 13-08-2024) Die Kernpore ist eine Schlüsselstruktur des Zellkerns, die den gezielten Austausch von Molekülen zwischen Zellkern und Zytoplasma ermöglicht und entscheidend für das Ablesen der Erbinformation ist. In einer kürzlich in Nature Cell Biology veröffentlichten Studie haben Edvinas Stankunas und Alwin Köhler von den Max Perutz Labs bedeutende Fortschritte im Verständnis der Kernpore erzielt. Sie untersuchten einen bisher wenig verstandenen Teil der Kernpore, der einer Korbstruktur ähnelt und für den Molekültransport aus dem Zellkern von großer Bedeutung ist.
Kernporen gehören zu den größten Strukturen in einer Zelle und bestehen beim Menschen aus etwa 1.000 Proteinen, die einen Kanal durch die Kernhülle bilden. Dieser Kanal ist extrem effizient und kann selektiv pro Sekunde etwa 1.000 Proteine in den Zellkern hinein oder heraus transportieren. Diese hohe Transportkapazität ist entscheidend für die schnelle und präzise Regulierung zellulärer Prozesse, wie dem Ablesen der Erbinformation.
Auf einer Seite der Kernpore befindet sich eine Struktur, die einem Korb ähnelt und für zahlreiche Transport-Prozesse wichtig ist. Diese Struktur war seit Jahrzehnten bekannt, jedoch schwer zu untersuchen, da sie beim Versuch sie zu isolieren leicht zerfällt und sich damit klassischen Methoden der Strukturanalyse entzieht. Die beiden Autoren der Studie entwickelten neue Methoden, um diese Herausforderung zu meistern. Mittels Künstlicher Intelligenz gelang es ihnen, die Verbindung zwischen wichtigen Proteinen der Korbstruktur vorherzusagen, und diese Vorhersagen durch verschiedene Methoden wie Elektronenmikroskopie, Biochemie und Zellbiologie, zu validieren.
Ein entscheidender Schritt war es, die Korbstruktur synthetisch aus ihren einzelnen Proteinen zusammenzusetzen. Die Studie zeigt überraschend, dass diese Struktur eine dynamische Flexibilität besitzt, ähnlich den Armen eines Oktopus, und ihre Form verändern kann. Die Forscher entwickelten ein detailliertes molekulares Modell, das die Architektur dieser bislang wenig verstandenen Struktur erklärt. Es liefert einen weiteren Beleg dafür, dass die Kernporen keine starre Struktur sind, sondern sich auf verschiedene Weise an Transportprozesse anpassen können.
Diese Entdeckung eröffnet neue Einblicke in die funktionelle Plastizität der Kernpore und in ihre Rolle im zellulären Transport. Die gewonnenen Erkenntnisse können Auswirkungen auf das Verständnis und die Behandlung genetischer Erkrankungen haben, da eine wachsende Zahl von Krankheiten, darunter Krebs und neurodegenerative Erkrankungen, mit Mutationen in Kernporen-Proteinen in Verbindung gebracht werden.
Publikation: Nature Cell Biology
Docking a flexible basket onto the core of the nuclear pore complex
Edvinas Stankunas & Alwin Köhler
https://www.nature.com/articles/s41556-024-01484-x
Über die Max Perutz Labs
Die Max Perutz Labs sind ein Joint Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien. Das Institut betreibt herausragende, international anerkannte Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Molekularbiologie. Wissenschafter*innen der Max Perutz Labs erforschen grundlegende, mechanistische Prozesse in der Biomedizin und verbinden innovative Grundlagenforschung mit medizinisch relevanten Fragestellungen.
Die Max Perutz Labs sind Teil des Vienna BioCenter, einem führenden Hotspot der Lebenswissenschaften in Europa. Am Institut sind mehr als 40 Forschungsgruppen mit rund 400 Mitarbeiter:innen aus mehr als 50 Nationen tätig.
www.maxperutzlabs.ac.at