(Wien, 23-01-2024) Wissenschafter:innen der MedUni Wien haben in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen des Politecnico di Milano einen Simulator entwickelt, mit dem komplexe Aneurysma-Operationen geübt bzw. geplant werden können. Im Rahmen einer kürzlich im Journal „Neurosurgical Focus“ publizierten Studie wurde der hohe Nutzen dieses virtuell und physisch verfügbaren Tools überprüft und eindeutig bestätigt.
Das operative Ausschalten von Aneurysmen (Clipping) ist in der Neurochirurgie ein ebenso heikles wie kompliziertes Verfahren, das präzises Können und umfassende anatomische Kenntnisse erfordert. Innovative Schulungs- und Planungslösungen wie fortschrittliche Simulatoren und 3D-Visualisierungstools sind von entscheidender Bedeutung, um Neurochirurg:innen mit dem nötigen Fachwissen und Selbstvertrauen auszustatten, das sie benötigen, um die Komplexität der Aneurysma-Behandlung effektiv zu bewältigen.
Der Simulator, der am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit Fachexpert:innen der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien und des Departments für Elektronik Information und Bioengineering des Politecnico di Milano entwickelt wurde, kann sowohl virtuell (Augmented Reality) als auch physisch (3D-Drucke) eingesetzt werden. Er bildet nicht rupturierte intrakranielle Aneurysmen mit hoher anatomischer und haptischer Genauigkeit nach. Der physische Simulator wird mit Hilfe der an der Medizinischen Universität Wien verfügbaren 3D-Druckertechnologien sowie dem Silikon-3D-Druck der Schweizer Firma Spectroplast hergestellt. Der digitale Simulator ist ein interaktiver Clipping-Simulator mit Visualisierung in Augmented Reality-Technolgie durch die Verwendung einer HoloLens 2-Brille, die mit einem Laptop verbunden ist, auf dem eine Echtzeitsimulation der Interaktion zwischen Clip und Aneurysma läuft.
An der jüngst durchgeführten Studie des interdisziplinären Teams um Francesco Moscato vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien in enger Zusammenarbeit mit Philippe Dodier von der Universitätsklinik für Neurochirurgie der MedUni Wien nahmen 14 Neurochirurg:innen mit unterschiedlichen Erfahrungshorizonten teil. Die Assisstenzärzt:innen (n=9) der MedUni Wien erprobten das Übungstool an zwei verschiedenen Tagen (Tag 0 und Tag 14). Auf Basis objektiver Messparameter (u. a. Videodokumentation, Smartwatch-Tremorauswertung und Photon-Counting-CT) konnte ein signifikanter Nutzen in Bezug auf die aktive Simulationszeit, die Clipping-Versuche und die radiologische Verschlussrate bei Aneurysma-Operationen abgeleitet werden.
Bereits im November 2023 war der Simulator in das praktische mikrochirurgische Trainingsseminar einbezogen worden, das von der European Association of Neurosurgical Societies (EANS) in Cluj, Rumänien, unterstützt wurde. Mehr als 15 Student:innen hatten den Simulator genutzt und ein ausgezeichnetes Feedback zu dessen realistischer Darstellung, Benutzerfreundlichkeit und Funkitonalität abgegeben. Aktuell wird der Einsatz der Tools zur präoperativen Planung durch erfahrene Neurochirurg:innen getestet, Ergebnisse werden in den nächsten Monaten erwartet.
Für den entwickelten Simulator wurde ein Patentantrag gestellt. Diese Bemühungen wurden durch die AWS-Förderung Nr. P2410019-W3G01 mit dem Titel "Neuer patientenspezifischer chirurgischer Simulator" finanziert.
Publikation: Neurosurgical Focus
An evaluation of physical and augmented patient-specific intracranial aneurysm simulators on microsurgical clipping performance and skills: a randomized controlled study;
Philippe Dodier, Lorenzo Civilla, Ammar Mallouhi, Lukas Haider, Anna Cho, Philip Lederer, Wei-Te Wang, Christian Dorfer, Arthur Hosmann, Karl Rössler, Markus Königshofer, Ewald Unger, Maria-Chiara Palumbo, Alberto Redaelli, Josa M. Frischer, Francesco Moscato
Doi: https://doi.org/10.3171/2023.10.FOCUS23640