
(Wien, 15-11-2024) Glykane sind komplexe Kohlenhydrate, die alle Zellen umhüllen. Sie sind entscheidend für die Zellkommunikation und die Koordination lebenswichtiger Organprozesse. Ihre Vielfalt und Unterschiede zwischen Organen sind jedoch bisher wenig erforscht. Ein Forschungsteam der BOKU, der MedUni Wien und IMBA hat nun eine skalierbare Methode vorgestellt, die neue Einblicke in die Glykobiologie ermöglicht. Ziel war es, strukturelle Unterschiede in Glykanketten verschiedener Organe wie Leber und Gehirn zu untersuchen und deren Ausmaß zu bestimmen. Die Ergebnisse wurden aktuell in „Nature Communications“ veröffentlicht.
Diese Fragestellung wurde am Säugetiermodell der Maus untersucht, wobei 20 verschiedene Gewebe der Maus nach den höchsten Standards der Glykoanalytik analysiert wurden. Dabei hatten die Wissenschafter:innen anfangs unterschätzt, wie umfangreich die dabei generierten Datenmengen sein würden. „Wir mussten zunächst eine völlig neue Art der Datenauswertung entwickeln, um die Analyse bewältigen zu können. Tatsächlich gelang es uns, einen Prozess, der normalerweise viele Monate dauern könnte, in wenigen Wochen durchzuführen“, erklärt Stefan Mereiter von der MedUni Wien und dem IMBA (Institute of Molecular Biotechnology). Das Spannendste an dieser neuen Herangehensweise war jedoch: Im Gegensatz zu herkömmlichen, manuellen Analysen konnten mit Hilfe der neuen Methode selbst unerwartete Glykanstrukturen erkannt und charakterisiert werden.
Überraschende Entdeckungen zur Vielfalt der Glykane
„Durch die Zusammenarbeit zwischen der BOKU, der MedUni Wien und dem IMBA ist es uns gelungen, modernste Glykananalytik, innovative Datenanalyse-Methoden und ein tiefes Verständnis von Anatomie und Physiologie zu vereinen und so die bislang detaillierteste Kartierung der Glykane in einem Säugetier zu erstellen“, freut sich Johannes Stadlmann vom Institut für Biochemie der BOKU. In seinem Labor werden neue Methoden für die Glykoproteomik und Glykananalyse entwickelt und Glykoproteine erforscht, um deren komplexe Rolle in zahlreichen biologischen Prozessen besser zu verstehen.
„Das Verständnis der Glykoproteomik ist entscheidend, um die wahre Komplexität biologischer Systeme zu entschlüsseln, und könnte zu Durchbrüchen in der biomedizinischen Forschung führen“, so Stadlmann. „Dass Glykane komplexe Biomoleküle sind, war uns bewusst. Doch wie unglaublich vielfältig diese Strukturen in einem einzigen Organismus sein können, hat uns alle überrascht“, ergänzt sein Instituts-Kollege Johannes Helm.
Die Daten zeigen, dass jedes Gewebe völlig einzigartige Glykosylierungsmuster aufweist und somit dabei helfen, die Unterschiede zwischen den Organen besser zu verstehen. „Darüber hinaus haben wir völlig unerwartete Glykane entdeckt, darunter besondere Strukturen, die ausschließlich im Gehirn vorkommen“, erklärt Stadlmann.
Diese neu entwickelte Methode enthüllt eine bisher unerkannte molekulare Vielseitigkeit und eröffnet neue Möglichkeiten, um die komplexe Rolle der Glykane sowohl im gesunden als auch im erkrankten Organ besser zu verstehen.
Publikation: Nature Communications
Non-targeted N-glycome profiling reveals multiple layers of organ-specific diversity in mice
Johannes Helm, Stefan Mereiter, Tiago Oliveira, Anna Gattinger, David M. Markovitz, Josef M. Penninger, Friedrich Altmann, Johannes Stadlmann.
https://doi.org/10.1038/s41467-024-54134-z