
(Wien, 10-04-2025) Die MedUni Wien verleiht jährlich den Veronika-Fialka-Moser-Diversitäts-Preis, um herausragende Projekte zu würdigen, die sich mit Vielfalt und Diversität in der Medizin befassen. Die diesjährigen Preisträger:innen wurden feierlich im Rahmen einer Preisverleihung geehrt.
Die MedUni Wien setzt ein klares Zeichen für die Förderung eines bewussten Umgangs mit Vielfalt. Heuer wurde das 10. Jubiläum des Veronika Fialka-Moser-Diversitätspreises gefeiert. Seit 2016 wurde der Preis an über 60 Einzelpersonen, Gruppen und Projekte verliehen, die die Bedeutung von Sex, Gender und Diversität in der Medizin hervorheben. Mit dem Preis werden Personen gewürdigt, die sich sowohl wissenschaftlich als auch gesellschaftlich um das Thema Diversität verdient gemacht haben. Der Preis, benannt nach Veronika Fialka-Moser, Professorin für Physikalische Medizin, wird in vier Kategorien vergeben: Forschung, Lehre, Diplom-/Masterarbeiten und Engagement. In diesem Jahr wurden herausragende Leistungen in den Kategorien Forschung und Lehre gewürdigt. Mitarbeiter:innen, Absolvent:innen und Studierende der MedUni Wien konnten ihre Arbeiten einreichen. Mit dieser Auszeichnung setzt die MedUni Wien ihr Engagement für Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion fort.
Erster Platz Forschung: Diana Klinger
Das eingereichte Forschungsprojekt „Mental Health of Transgender and Gender Diverse Youth“ von Diana Klinger untersucht die psychische Gesundheit transgeschlechtlicher und geschlechtsdiverser Jugendlicher und junger Erwachsener. Es basiert auf drei wissenschaftlichen Publikationen: einer klinischen Studie zu psychischen Belastungen und Unterschieden zwischen bei Geburt männlich oder weiblich zugewiesenen Personen, einer systematischen Metaanalyse zur psychischen Gesundheit nicht-binärer Jugendlicher und junger Erwachsener sowie einer Untersuchung zum Einfluss von Mediennutzung auf depressive Symptome in dieser Bevölkerungsgruppe. Die Ergebnisse zeigen erhöhte Belastungen wie depressive und Angstsymptome sowie spezifische Herausforderungen für nicht-binäre Personen. Ziel der Forschung ist es, eine evidenzbasierte Grundlage für präventive und therapeutische Maßnahmen zu schaffen.
Das Projekt trägt zur besseren Sichtbarkeit geschlechtsdiverser Jugendlicher in der psychischen Gesundheitsforschung bei und hat bereits strukturelle Verbesserungen in der klinischen Versorgung bewirkt, darunter eine adaptierte Diagnostik sowie die Etablierung eines interdisziplinären Boards zur Betreuung dieser Patient:innen. Zudem wurden Inhalte zur Geschlechtsdiversität in die universitäre Lehre integriert. Als erstes umfassendes Forschungsprojekt in Österreich zu diesem Thema schließt es eine wissenschaftliche Lücke und liefert innovative Ansätze für klinische Interventionen und gesellschaftliche Inklusion.
Zweiter Platz Forschung: Jojo Steininger
Die Forschungsarbeit „Treatment trajectories of gender incongruent Austrian youth seeking gender-affirming hormone therapy“ von Jojo Steininger ist die erste Analyse zu trans* und geschlechtsdiversen Jugendlichen in Österreich, die eine geschlechtsaffirmative Hormontherapie suchen. Die retrospektive Studie untersucht die Daten aller Personen, die zwischen 2008 und 2023 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde des AKH Wien vorstellig wurden. Neben demografischen Informationen wurden auch psychische und physische Gesundheitsdaten, Aspekte der Fertilitätsprotektion sowie Änderungen von Namen und Personenstand erfasst. Ziel der Forschung war es, die Versorgungssituation Trans*-Jugendlicher faktenbasiert darzustellen, wissenschaftlich einzuordnen und eine Grundlage für künftige Diskussionen und Forschungsarbeiten zu schaffen.
Die Ergebnisse der Studie haben nicht nur eine wissenschaftliche Lücke in Zentraleuropa geschlossen, sondern auch bereits in Fachkonferenzen, Lehrveranstaltungen und politischen Debatten Anwendung gefunden. Besonders innovativ ist, dass es sich um die erste Arbeit an der MedUni Wien handelt, die von einer nicht-binären Person zu Trans*-Themen verfasst wurde. Dies unterstreicht die Bedeutung der Einbindung der Community in die Forschung. Die Publikation hat außerdem Impulse für weitere prospektive Studien gegeben und leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung und Versachlichung der gesellschaftlichen Debatte rund um geschlechtsaffirmative Maßnahmen.
Dritter Platz Forschung: Jürgen Grafeneder, Anita Holzinger, Jan Niederdöckl, Dominik Roth
Die randomisiert kontrollierte Studie „Immigration bias among medical students“ von Jürgen Grafeneder, Anita Holzinger, Jan Niederdöckl und Dominik Roth untersucht den Einfluss des Migrationshintergrunds von Patient:innen auf die Schmerzbehandlung durch Medizinstudierende. In Zusammenarbeit zwischen dem Teaching Center und der Universitätsklinik für Notfallmedizin wird geprüft, ob subtile Vorurteile in der klinischen Entscheidungsfindung eine Rolle spielen, insbesondere in der Verschreibung und Dosierung von Schmerzmitteln. Zudem werden geschlechtsspezifische Unterschiede sowohl bei den Patient:innen als auch bei den Studierenden analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass unbewusste Vorannahmen und Stereotype das klinische Handeln beeinflussen können. Die Studie trägt dazu bei, ein Bewusstsein für interkulturelle Kompetenz in der medizinischen Ausbildung zu schaffen und die Qualität der Versorgung für Patient:innen mit Migrationshintergrund zu verbessern.
Ein zentraler Aspekt der Studie ist die nachhaltige Integration ihrer Erkenntnisse in das medizinische Curriculum. So wurde aufgrund der Ergebnisse die Lehrveranstaltung „Ärztliche Gesprächsführung“ um den Themenbereich Migrationssensibilität und Diversität erweitert. Dies soll angehende Mediziner:innen für unbewusste Diskriminierung sensibilisieren und zu einer gerechteren Patientenversorgung beitragen. Darüber hinaus wurde die Studie in wissenschaftlichen Konferenzen, Seminaren und Fortbildungen präsentiert, um den interdisziplinären Dialog zu fördern. Die Forschungsarbeit leistet damit einen innovativen und praxisnahen Beitrag zur Verringerung von Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen und wird als Best-Practice-Beispiel in der medizinischen Lehre anerkannt.
Erster Platz Lehre: Kathrin Kirchheiner und Igor Grabovac
Die Lehrveranstaltung „Sex-positive, Queer-positive und Kink-positive Sexualmedizin und –psychologie“, geleitet von Kathrin Kirchheiner und Igor Grabovac, wurde 2021 an der Medizinischen Universität Wien etabliert. Sie vermittelt ein umfassendes Verständnis für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt und setzt sich für eine entstigmatisierende und entpathologisierende Betrachtung von sexueller Gesundheit ein. Die Inhalte reflektieren aktuelle gesellschaftliche, wissenschaftliche und politische Entwicklungen, darunter LGBTQIA+ Diversität, die Einordnung von nicht-konventionellen sexuellen Interessen, Ausdrucksformen und Praktiken im Rahmen einer Konsens-orientierten diagnostischen Klassifikation (Kink / Paraphilien), alternative Beziehungsmodelle, sowie der Einfluss sozialer Bewegungen wie #MeToo und Body Positivity. Darüber hinaus werden Themen wie die Auswirkungen von Chem-Sex, Pornographie und Konsens auf die Sexualität diskutiert.
Die Lehrveranstaltung kombiniert medizinische und psychologische Perspektiven und bietet den Studierenden neben wissenschaftlichen Publikationen auch multimediale Inhalte zur kritischen Reflexion und Meinungsbildung. Das innovative Lehrkonzept legt besonderen Wert auf kritische Selbstreflexion, um die Studierenden für die Vielfalt ihrer zukünftigen Patient:innen zu sensibilisieren. Neben evidenz-basiertem Wissen werden auch Soft Skills gefördert, u.a. eine akademische Gesprächskultur und reflexiver Diskurs, aber auch Souveränität in der ärztlichen Gesprächsführung und inklusives Verhalten im Umgang mit Fragen der sexuellen Gesundheit. Das ermöglicht Studierenden, eigene Wertehaltungen und Grenzen, aber auch blinde Flecke im Umgang mit Patient:innen und Kolleg:innen zu erkennen.
Die Lehrveranstaltung wird laufend aktualisiert und hat sich als edukatives Modell etabliert, das gesellschaftspolitische Entwicklungen in den akademischen Diskurs einbindet. Dadurch trägt sie langfristig zur Schaffung einer inklusiveren Gesundheitsversorgung bei.
Zweiter Platz Lehre: Susanne Gahbauer
Das Seminar „feminize your resonance!“, entwickelt von Susanne Gahbauer, ist ein interaktives Lehrformat an der Medizinischen Universität Wien, das sich mit der Bedeutung der Stimme im Kontext von Geschlecht und Gesundheit befasst. Es bietet Studierenden vertiefte Einblicke in die Stimmtransition bei Trans*-Personen und die medizinische sowie soziale Dimension dieses Prozesses. Der Kurs umfasst theoretische Inhalte zu Stimmfeminisierung, Stimm-Apps und deren diagnostische Anwendung sowie ein interaktives Element, die „Gendered Voice Competition“, bei der Studierende durch praktische Übungen ihre eigene Stimme geschlechtlich modifizieren und analysieren können. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Herausforderungen von Trans*-Personen im Alltag sowie im medizinischen Versorgungssystem zu schärfen und ein besseres Verständnis für geschlechtliche Diversität zu vermitteln.
Das Seminar hat einen direkten Impact auf die medizinische Ausbildung, indem es Studierende für inklusive Kommunikation und differenzierte Diagnostik im Bereich Stimmtherapie sensibilisiert. Es schließt eine Lücke in den österreichischen Standards of Care, da Stimmtherapie für Trans*-Personen bisher nicht explizit im Behandlungsschema des Gesundheitsministeriums verankert ist. Die innovative Lehrmethode kombiniert wissenschaftliche Inhalte mit praxisnahen digitalen Tools, um Studierende aktiv in die Reflexion über geschlechtliche Vielfalt und soziale Normen einzubeziehen. Neben der universitären Lehre regt das Projekt auch zur Weiterentwicklung von Stimm-Apps und Forschungsarbeiten in diesem Bereich an. Langfristig trägt das Seminar dazu bei, Vorurteile abzubauen und die Gesundheitsversorgung für Trans*-Personen durch bessere ärztliche Kommunikation und transdisziplinäre Ansätze zu verbessern.
Ex aequo Dritter Platz Lehre: Luka Laub und Melanie Schirl
Der Podcast „Interdisziplinäre Fallkonferenzen kompakt – Interview über Gender Medicine“, entwickelt von Luka Laub und Melanie Schirl, ist ein innovatives Lehrprojekt, das geschlechterspezifische Aspekte der Medizin in den Fokus rückt. Die Tutorinnen produzieren regelmäßig Podcasts zu relevanten medizinischen Themen für Medizinstudierende im 5. Jahr an der Medizinischen Universität Wien. Ein besonderes Highlight ist das Interview mit Miriam Hufgard-Leitner, einer Expertin für Endokrinologie, das sich mit Gender Medicine und geschlechtsspezifischen Unterschieden in Diagnostik, Therapie und Forschung befasst. Der Podcast zeigt, dass medizinische Studien oft auf männliche Normen ausgerichtet sind, was zu einer schlechteren Versorgung von Frauen führen kann. Ziel ist es, angehende Ärzt:innen für diese Ungleichheiten zu sensibilisieren und sie zu motivieren, Gender-Aspekte in ihrer zukünftigen Praxis zu berücksichtigen.
Der Podcast leistet einen wichtigen Beitrag zur Diversitätsdebatte in der Medizin und trägt zur Verbesserung der medizinischen Ausbildung bei. Durch die freie Verfügbarkeit unter einer Creative Commons-Lizenz ermöglicht er nicht nur Medizinstudierenden, sondern auch Fachkräften und Interessierten den Zugang zu wissenschaftlich fundierten Inhalten. Die innovative Kombination aus auditorischer Wissensvermittlung und interaktiven Lernmethoden macht den Podcast zu einem modernen, flexiblen Lernformat, das nachhaltiges Lernen fördert. Die enge Anbindung an die interdisziplinären Fallkonferenzen sowie die Integration in die Moodle-Plattform der MedUni Wien sorgen für eine praxisnahe und curriculumsrelevante Umsetzung. Langfristig trägt das Projekt dazu bei, geschlechtersensible Medizin stärker in den klinischen Alltag zu integrieren und eine gerechtere Gesundheitsversorgung zu fördern.
Ex aequo Dritter Platz Lehre: Türkan Akkaya-Kalayci
Der Masterlehrgang „Transkulturelle Medizin und Diversity Care“, geleitet von Türkan Akkaya-Kalayci, wurde basierend auf Studierenden-Feedback umfassend überarbeitet und erweitert. Der interdisziplinäre Studiengang an der Medizinischen Universität Wien vermittelt transkulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen und adressiert die Versorgung marginalisierter Gruppen, darunter Personen mit Migrationshintergrund, LGBTQIA2S+-Personen, sozial benachteiligte und neurodiverse Menschen. Durch eine Mischung aus theoretischer Wissensvermittlung, Exkursionen, Seminaren und Gruppenarbeiten werden kulturelle, soziale und religiöse Aspekte in die medizinische und psychosoziale Versorgung integriert. Die Zahl der akademischen ECTS-Punkte wurde von 98 auf 120 erhöht, um eine tiefere Auseinandersetzung mit Diversity Care zu ermöglichen.
Der Lehrgang zielt darauf ab, Vorurteile im Gesundheitswesen abzubauen und eine gerechtere Versorgung zu fördern. Er verbessert das kulturelle Bewusstsein und die transkulturellen Kommunikationsfähigkeiten von Gesundheitsfachkräften, um Missverständnisse, Fehldiagnosen und systembedingte Ungleichheiten zu reduzieren. Besonders innovativ ist der intersektionale Ansatz, der verschiedene Diversity-Dimensionen verknüpft und praktische Maßnahmen zur inklusiven Gesundheitsversorgung vermittelt. Aufgrund seiner einzigartigen inhaltlichen Breite wird das Programm als Modell für ähnliche Bildungsinitiativen in Europa angesehen. Die positiven Rückmeldungen der Teilnehmenden und die internationale Nachfrage zeigen, dass das Master-Curriculum einen nachhaltigen Beitrag zur Diversität im Gesundheitswesen leistet.
Die Gewinner:innen der Kategorien Forschung und Lehre stellen ihre Projekte im folgenden Video vor:

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