
(Wien, 18-06-2025) Dem interdisziplinären Herzteam von MedUni Wien und AKH Wien ist es erstmals in Österreich gelungen, bei zwei Patient:innen mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz einen vollständigen Mitralklappenersatz minimal-invasiv über die Leistenvene vorzunehmen. Nur wenige Wochen nach der europäischen Zulassung wurde damit eine neuartige katheterbasierte Methode eingesetzt, die insbesondere Hochrisiko-Patient:innen neue therapeutische Perspektiven eröffnet.
In beiden Fällen lag eine komplexe medizinische Ausgangslage vor – darunter eine Patientin mit angeborenem Herzfehler und mehreren Voroperationen. Ein chirurgischer Eingriff war in diesen Situationen nicht durchführbar. Der Zugang erfolgte rein transfemoral, also über die Leiste. Beide Patient:innen erholten sich rasch und konnten wenige Tage nach dem Eingriff in stabilem Zustand mit exzellentem Ergebnis entlassen werden. „Diese Methode stellt einen Meilenstein für Patient:innen mit schwerer Mitralklappeninsuffizienz dar, für die etablierte Verfahren keine Lösung mehr bieten. Die minimal-invasive Strategie schafft neue Chancen für eine besonders vulnerable Patient:innengruppe“, betont Philipp Bartko von der Klinischen Abteilung für Kardiologie von AKH Wien und MedUni Wien.
Daniel Zimpfer, Leiter der Universitätsklinik für Herzchirurgie, hebt den interdisziplinären Charakter hervor: „Gerade bei Hochrisikopatient:innen ist die enge Zusammenarbeit zwischen Kardiologie, Herzchirurgie, Anästhesie, Radiologie und spezialisierter Pflege entscheidend. Der Einsatz dieser innovativen Technik ist ein bedeutender Schritt hin zu einer hochindividualisierten Versorgung.“ Der Eingriff wurde durch ein erfahrenes Team unter Einsatz modernster Technologien geplant und umgesetzt. Iuliana Coti von der Universitätsklinik für Herzchirurgie: „Die katheterbasierte Mitralklappenimplantation erfordert ein tiefes Verständnis der kardialen Anatomie und eine sorgfältige multidisziplinäre Planung. Dank der engen Zusammenarbeit aller beteiligten Fachbereiche können wir auch anatomisch komplexe Fälle sicher und wirksam behandeln."
Ein weiterer Durchbruch in der interventionellen Klappentherapie
„Die erfolgreiche Anwendung dieses technisch herausfordernden Verfahrens zeigt die hohe Kompetenz im Bereich der strukturellen Herzmedizin an AKH Wien und MedUni Wien. Wien gehört damit zu den wenigen internationalen Zentren mit Erfahrung in dieser Methode“, unterstreicht Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie. „Mit dem katheterbasierten Mitralklappenersatz über die Leiste ist nun erstmals der vollständige Ersatz aller vier Herzklappen über einen minimal-invasiven Zugang möglich – ein entscheidender Fortschritt, der die moderne Herzmedizin nachhaltig verändern wird", so Philipp Bartko.
Hintergrund: Was ist eine Mitralklappeninsuffizienz?
Die Mitralklappe trennt den linken Vorhof von der linken Herzkammer und sorgt für den kontrollierten Blutfluss. Bei einer Mitralklappeninsuffizienz schließt die Klappe nicht mehr richtig, sodass Blut in den linken Vorhof und in die Lunge zurückströmt. Die Folge sind Atemnot, Herzschwäche und langfristige Organschäden. Für viele Betroffene ist ein chirurgischer Ersatz nicht möglich, etwa bei hohem Alter, mehreren Voroperationen oder schweren Begleiterkrankungen. Reparative Verfahren wie das Mitralklappen-Clipping reichen bei komplexen Defekten oft nicht aus. Der katheterbasierte Ersatz schließt diese therapeutische Lücke.
So funktioniert der Eingriff
Der kathetergestützte Mitralklappenersatz erfolgt in zwei Schritten: Zunächst wird ein spezielles „Docking-System“ in der erkrankten Klappe verankert. Es dient als stabile Basis für die spätere Prothese. Danach wird die neue Herzklappe über einen Katheter transfemoral eingeführt und präzise positioniert. Langzeitdaten werden zeigen, ob sich diese Technik als neue Standardtherapie etabliert. Bereits jetzt stellt sie eine entscheidende Erweiterung des interventionellen Spektrums an AKH Wien und MedUni Wien dar.