
(Wien, 24-06-2025) Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien in Kollaboration mit der Universität Wien konnte im Tiermodell zeigen, dass die gezielte Veränderung eines einzelnen Proteins in bestimmten Immunzellen, Entzündungen im Darm reduziert. Im Zentrum der aktuell im Journal of Experimental Medicine publizierten Studie steht das Protein Filamin A, dessen Aufbau durch sogenannte RNA-Editierung modifiziert werden kann. Die Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für die Entwicklung von Therapiemöglichkeiten bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa.
Die Forschungsgruppe um Cornelia Vesely (Zentrum für Anatomie und Zellbiologie, MedUni Wien), Riem Gawish (Universitätsklinik für Innere Medizin I, MedUni Wien), und Fatima C. Pereira (Universität Wien) hat im Rahmen der Studie die Rolle von Filamin A bei Entzündungsprozessen im Darm untersucht. Filamin A ist ein Protein, das wichtige Abläufe im Zellinneren steuert. Im Gewebe kann es in einer modifizierten Form vorkommen, die sich in einer einzigen Aminosäure von der Ursprungsform unterscheidet. Die Modifikation entsteht durch sogenannte RNA-Editierung, ein natürlicher Prozess, bei dem bestimmte Bausteine der RNA (dem Überträger genetischer Information vom Zellkern zum Protein) gezielt verändert werden. Während im gesunden Darm besonders viel dieser modifizierten Form von Filamin A nachweisbar ist, nimmt diese im Zuge einer akuten Entzündung deutlich ab.
Die Forschenden konnten nun zeigen, dass eine auf RNA-Ebene induzierte, punktuelle Veränderung von Filamin A eine schützende Wirkung entfaltet: Die Analysen im Mausmodell für Colitis Ulcerosa ergaben eine geringere Gewebeschädigung und ein insgesamt milderes Krankheitsbild. Diese Wirkung ließ sich nicht allein durch Unterschiede in der Darmflora oder in Darmstrukturzellen erklären, sondern ging auf veränderte Reaktionsmuster der Immunzellen zurück.
„Das gezielte Einbringen von verändertem Filamin A in bestimmte Immunzellen – Neutrophilen und Makrophagen – wirkt sich unseren Beobachtungen nach besonders positiv auf den Krankheitsverlauf aus“, berichtet Erstautorin Riem Gawish aus der Forschungsarbeit. „Da RNA mittlerweile durch moderne biotechnologische Methoden gezielt bearbeitet werden kann, rückt mit diesen Erkenntnissen ein neuer, gezielter Ansatz für die Therapie von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen näher: die kontrollierte RNA-Editierung, um schädliche Immunreaktionen gezielt abzuschwächen – bei gleichzeitigem Erhalt der grundlegenden Immunfunktionen“, fasst Studienleiterin Cornelia Vesely die Tragweite der Studienergebnisse zusammen.
Bei Colitis ulcerosa breitet sich die Entzündung der Darmschleimhaut typischerweise in Schüben vom Enddarm ausgehend aus, ist in vielen Fällen schwer zu behandeln und geht mit einer stark eingeschränkten Lebensqualität der Patient:innen einher. Die genauen Ursachen dieser Form der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung sind nicht vollständig geklärt. Neben genetischen Risikofaktoren gelten Umwelteinflüsse, Veränderungen der Darmflora (Mikrobiom) sowie eine gestörte Barrierefunktion der Darmschleimhaut als zentrale Auslöser. Die nun vorgestellten Ergebnisse liefern neue Einblicke in die Rolle der zellulären RNA-Verarbeitung im Krankheitsverlauf und sollen in weiteren Studien bestätigt werden.
Publikation: Journal of Experimental Medicine
Filamin A editing in myeloid cells reduces intestinal inflammation and protects from colitis.
Riem Gawish, Rajagopal Varada, Florian Deckert, Anastasiya Hladik, Linda Steinbichl, Laura Cimatti, Katarina Milanovic, Mamta Jain, Natalya Torgasheva, Andrea Tanzer, Kim De Paepe, Tom Van de Wiele, Bela Hausmann, Michaela Lang, Martin Pechhacker, Nahla Ibrahim, Ingrid De Vries, Christine Brostjan, Michael Sixt, Christoph Gasche, Louis Boon, David Berry, Michael F. Jantsch, Fatima C. Pereira and Cornelia Vesely
https://doi.org/10.1084/jem.20240109