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Lancet-Kommission zur Medizin im Nationalsozialismus und im Holocaust: Bericht liegt nun auch auf Deutsch und Spanisch vor

Die Lancet-Kommission „Medicine, Nazism, and the Holocaust“ dokumentiert die Beteiligung von Mediziner:innen an Verbrechen im NS-Regime
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Bild: Getty Images

(Wien, 17-11-2025) Der groß angelegte Bericht der Lancet-Kommission zum Thema „Medicine, Nazism, and the Holocaust: historical evidence, implications for today, teaching for tomorrow“ wurde im Jahr 2023 an der MedUni Wien im Josephinum präsentiert und ist nun in einer vollständig deutsch- sowie spanischsprachigen Ausgabe verfügbar. Die Untersuchung dokumentiert die Beteiligung von Mediziner:innen an Zwangssterilisierungen, Menschenversuchen und anderen Verbrechen im NS-Regime. Zugleich analysiert der Report strukturelle Kontinuitäten und die Rolle medizinischer Institutionen in dieser Zeit. 

Die Medizin spielte im Nationalsozialismus eine wichtige und unheilvolle Rolle; der Holocaust und andere Massenverbrechen des Regimes wären ohne die Beteiligung von Medizinern kaum denkbar gewesen. Um dieses Thema und die daraus zu ziehenden Lehren einem internationalen Fachpublikum näher zu bringen, bildete das renommierte Fachjournal „The Lancet“ eine Kommission von 20 internationalen Forscher:innen. Medizinhistoriker Herwig Czech von der MedUni Wien fungierte als einer der Co-Vorsitzenden. Am 9. November 2023 präsentierte die „Lancet Commission on Medicine, Nazism, and the Holocaust“ am Wiener Josephinum und wenige Tage später an der Berliner Charité einen umfangreichen Bericht, der nun auch in zwei Übersetzungen vorliegt. Dazu Herwig Czech: „Das große Interesse an unserem Report seit der ersten Veröffentlichung und leider auch die Entwicklung der politischen Weltlage haben gezeigt, dass eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus und ihren Auswirkungen und Schlussfolgerungen nicht nur, aber besonders für die Medizin nichts an Dringlichkeit eingebüßt hat. Ich freue mich daher, dass wir unsere Arbeit nun auch in deutscher und spanischer Sprache vorlegen können, womit wir noch mehr Menschen zu erreichen hoffen.“

Der Report beruht auf einer umfassenden Auswertung der wissenschaftlichen Literatur (878 zitierte Publikationen) und untersucht die tiefgreifende Verstrickung der Medizin in die Verbrechen des Nationalsozialismus und zieht daraus Lehren für Gegenwart und Zukunft. Die Kommission zeigt, dass Ärzt:innen, Pflegekräfte und medizinische Institutionen aktiv an Zwangssterilisierungen, Menschenversuchen und Tötungsprogrammen beteiligt waren und dass diese Taten von einer breiten wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Zustimmung getragen wurden. Das Dokument analysiert die ideologischen, institutionellen und berufsethischen Voraussetzungen, die solche Verbrechen ermöglichten, und fordert, diese Geschichte dauerhaft in die Ausbildung und Praxis der Medizin zu integrieren. Die Lehre daraus ist, dass ärztliches Handeln ohne reflektierte ethische Verantwortung und kritisches Bewusstsein gegenüber gesellschaftlichen und politischen Einflüssen inhumanen Entwicklungen Vorschub leisten kann – und dass die Auseinandersetzung mit diesem Erbe eine Grundlage für eine humane Medizin der Zukunft bildet.

 

Links:

Großer Report zu NS-Medizinverbrechen publiziert (9. November 2023)

The Lancet Commission on medicine, Nazism, and the Holocaust: historical evidence, implications for today, teaching for tomorrow

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