
(Wien, 08-10-2025) Eine aktuelle Untersuchung unter der Leitung des Zentrums für Public Health der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass bei Personen mit Adipositas oder Übergewicht, die mit sogenannten Inkretin-basierten Medikamenten behandelt werden, Veränderungen im Geschmacksempfinden mit Unterschieden in der Appetitregulation zusammenhängen können. Die im Fachjournal Diabetes, Obesity and Metabolism publizierte Studie liefert damit wichtige Hinweise darauf, dass sensorische Veränderungen ein zusätzlicher Faktor in der Wirkung dieser Therapien sein könnten.
In die Studie wurden 411 Erwachsene einbezogen, die mit den Wirkstoffen Semaglutid (Handelsnamen Wegovy, Ozempic) oder Tirzepatid (Mounjaro) behandelt wurden. Diese Medikamente gehören zu den Glucagon-like peptide-1 Rezeptor-Agonisten (GLP-1 RAs) bzw. zu einer Wirkstoffklasse, die zusätzlich den Glucose-dependent insulinotropic polypeptide (GIP) beeinflusst. Beide Substanzen greifen in die Regulation des Appetits ein und unterstützen so die Gewichtsabnahme.
Mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen berichtete über einen reduzierten Appetit und etwa zwei Drittel gaben an, schneller satt zu werden. Rund ein Fünftel der Teilnehmenden nahm Veränderungen in der Geschmackswahrnehmung wahr, insbesondere bei süßem oder salzigem Geschmack. Statistische Analysen zeigten, dass eine gesteigerte Wahrnehmung süßen Geschmacks mit erhöhter Sättigung, vermindertem Appetit und reduzierten Essensgelüsten verbunden war. Eine verstärkte Wahrnehmung salzigen Geschmacks stand ebenfalls im Zusammenhang mit gesteigerter Sättigung.
Die Ergebnisse der von Ali Kapan und Richard Felsinger vom Zentrum für Public Health der MedUni Wien geleiteten Studie deuten darauf hin, dass Veränderungen der Sinneswahrnehmung während der Therapie eine Rolle bei der Appetitregulation spielen könnten. Ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Geschmacksveränderungen und dem Ausmaß der Gewichtsabnahme ließ sich jedoch nicht nachweisen. Die Studie beruht auf einer Online-Befragung und hat explorativen Charakter. Sie erlaubt daher keine Aussagen über Ursachen und Wirkungen. Dennoch liefert sie Hinweise darauf, dass sensorische Veränderungen ein zusätzlicher Erklärungsansatz für die Wirkung dieser Therapien sein könnten.
Adipositas betrifft weltweit mehr als zwei Milliarden Erwachsene und stellt ein wesentliches Risiko für zahlreiche Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Fettleber dar. Neben Lebensstiländerungen wie Ernährungsumstellung und Bewegung kommen zunehmend auch medikamentöse Ansätze zum Einsatz. GLP-1 Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid und duale GIP/GLP-1-Agonisten wie Tirzepatid beeinflussen das Hunger- und Sättigungsgefühl über hormonelle Signalwege und sind seit einigen Jahren in der klinischen Anwendung. Ihre Wirkung auf die Geschmackswahrnehmung und deren Bedeutung für den Behandlungserfolg werden derzeit intensiv erforscht.
Publikation: Diabetes, Obesity and Metabolism
Real-world insights into incretin-based therapy: Associations between changes in taste perception and appetite regulation in individuals with obesity and overweight: A cross-sectional study.
Ali Kapan, Othmar Moser, Richard Felsinger, Thomas Waldhoer, Sandra Haider.
DOI: 10.1111/dom.16548