(Wien, 30-10-2025) Ein Forschungsteam unter der Leitung der Medizinischen Universität Wien, des HUN-REN Forschungszentrums für Naturwissenschaften und der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest hat ein neues Chemotherapeutikum namens LiPyDau entwickelt, das in präklinischen Untersuchungen eine bemerkenswerte Wirksamkeit gegen verschiedene Tumorarten gezeigt hat. Die in der renommierten Fachzeitschrift „Molecular Cancer“ veröffentlichte Studie stellt eine vielversprechende Strategie zur Bekämpfung medikamentenresistenter Krebsarten vor.
Die Chemotherapie ist trotz bekannter Herausforderungen wie toxischen Nebenwirkungen und Arzneimittelresistenzen nach wie vor ein wesentlicher Eckpfeiler der Krebsbehandlung. Vor diesem Hintergrund hat das Forschungsteam unter der Leitung von Gergely Szakács vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien Mechanismen der Arzneimittelresistenz analysiert und nach Möglichkeiten gesucht, diese zu überwinden. Dabei entwickelten die Wissenschafter:innen ein hochwirksames neues Derivat von Anthrazyklin, einer Klasse von Chemotherapeutika, die seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in der Krebstherapie spielt. Die neue Verbindung, eine chemisch modifizierte Form von Daunorubicin, erwies sich allerdings für die direkte Verabreichung als zu toxisch. Um dieses Problem zu lösen, wurde sie in winzige Trägerbläschen, sogenannte Liposomen, eingekapselt, wodurch LiPyDau entstand. Diese liposomale Formulierung transportiert den Wirkstoff direkt zu den Tumorzellen und minimiert gleichzeitig die Schädigung des gesunden Gewebes. In Mausmodellen verschiedener Krebsarten reduzierte LiPyDau die Tumorlast drastisch und eliminierte sie in einigen Fällen sogar vollständig.
Einzigartiger Mechanismus führt zum Absterben der Tumorzellen
In präklinischen Studien hemmte eine Einzeldosis LiPyDau das Tumorwachstum in einem Melanom-Modell nahezu vollständig. Bei Lungenkrebs war die Behandlung sowohl in einem Standard-Mausmodell als auch in einem Modell mit menschlichen Tumorzellen, die nicht auf gängige Medikamente ansprachen, wirksam. In aggressiven Mausmodellen für Brustkrebs führte die Behandlung mit LiPyDau zu einer fast vollständigen Tumorrückbildung. Bei erblichen, schwer zu behandelnden Formen von Brustkrebs konnten die Tumore sogar dauerhaft beseitigt werden. LiPyDau zeigte, so das Forschungsteam, auch eine vielversprechende Wirksamkeit gegen multiresistente Tumorzellen. Das außergewöhnliche Potenzial von LiPyDau beruht auf einem einzigartigen Mechanismus: Das neue Krebsmedikament verbindet die beiden Stränge der DNA in Krebszellen irreversibel miteinander und verursacht so Schäden, die die Tumorzellen nicht mehr reparieren können, was letztendlich zu ihrem Absterben führt.
Anthrazykline wie Daunorubicin gehören zu den weltweit am häufigsten verwendeten Chemotherapeutika und sind in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgeführt. Ihre klinische Wirksamkeit wird jedoch häufig durch toxische Nebenwirkungen und die Entwicklung von Resistenzen eingeschränkt. Liposomale Formulierungen – d. h. die Einkapselung des Wirkstoffs in winzig kleine Fettbläschen – werden seit langem erforscht, um diese Einschränkungen zu verringern. „Unsere Untersuchungen an Mausmodellen zeigen, dass die Einkapselung von 2-Pyrrolino-Daunorubicin in Liposomen die sichere Anwendung eines ansonsten zu toxischen, aber äußerst wirksamen neuen Medikaments ermöglicht. Nun müssen weitere Studien durchgeführt werden, um festzustellen, ob diese vielversprechenden Ergebnisse in die klinische Anwendung überführt werden können“, sagt Studienleiter Gergely Szakács.
Publikation: Molecular Cancer
Safe delivery of a highly toxic anthracycline derivative through liposomal nanoformulation achieves complete cancer regression.
András Füredi, Szilárd Tóth, Kristóf Hegedüs, Pál T. Szabó, Anikó Gaál, Gergő Barta, Lívia N. Naszályi, Krisztina Kiss, Kata Bölcskei, Zoltán Szeltner, Eszter Bajtai1, Balázs Gombos, Dániel Kiss, Mihály T. Cserepes, Attila Kiss, Peter Pokreisz, Lukas Kenner, Sandra Högler, Csaba Magyar, Jamie D. Cowles, Agnes Csiszar, József Tóvári, Dávid Szüts, Zsuzsanna Helyes, Zoltán Varga, Gábor Mező, Gergely Szakács.
DOI: https://molecular-cancer.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12943-025-02444-1