
(Wien, 21-10-2025) Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Medizinischen Universität Wien konnte erstmals zeigen, dass das Schilddrüsenhormon eine treibende Rolle bei der Entwicklung und dem Fortschreiten von Prostatakrebs spielt. Durch Blockade eines bestimmten Schilddrüsenhormon-Rezeptors konnte sowohl in Tiermodellen als auch in Tumorzellkulturen das Krebswachstum gehemmt werden. Damit liefern die aktuell im Top-Journal Molecular Cancer publizierten Studienergebnisse einen neuen Ansatzpunkt für die Therapie von Prostatatumoren, besonders in einer Phase, in der aktuelle Methoden versagen.
Im Zentrum der Untersuchung des Forschungsteams um Olaf Merkel, Brigitte Hantusch und Lukas Kenner (alle vom Klinischen Institut für Pathologie der MedUni Wien) sowie Erstautorin Aleksandra Fesiuk (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien) stand die Rolle des Schilddrüsenhormon-Rezeptors TRβ (Thyroid-Hormon-Rezeptor Beta) bei der Tumorentwicklung. In Laborversuchen führte die Aktivierung des Schilddrüsenhormons Triiodthyronin (T3) zu einer starken Vermehrung von Prostatakrebszellen. Wurde TRβ dagegen mit NH-3, einem derzeit nur in der Forschung eingesetzten Wirkstoff zur gezielten Blockierung von TRβ, gehemmt, nahm das Wachstum der Krebszellen deutlich ab.
In Tiermodellen ließ sich dieser Effekt bestätigen: Tumore, die unter Einfluss von NH-3 behandelt wurden, blieben kleiner oder entwickelten sich deutlich langsamer. Besonders wirksam zeigte sich NH-3 in Modellen für sogenannten kastrationsresistenten Prostatakrebs – einer Form, die trotz Hormonentzugstherapie weiterwächst und derzeit schwer behandelbar ist. Die Blockade von TRβ führte zudem zu einer Abschwächung des sogenannten Androgenrezeptor-Signals, das normalerweise durch männliche Geschlechtshormone aktiviert wird und eine zentrale Rolle beim Fortschreiten der Erkrankung spielt. Daten aus Patientenkohorten untermauern diese Ergebnisse: In Gewebeproben zeigte sich eine erhöhte Menge von TRβ in Prostatatumoren im Vergleich zu gesundem Gewebe. Darüber hinaus belegen genetische Analysen, dass die Schilddrüsenhormon-Signalwege bei einem großen Teil der Prostatakrebs-Patienten durch Mutationen verändert sind.
Prostatakrebs ist in Österreich die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Die Erkrankung wird im frühen Stadium meist durch Hormonentzugstherapien behandelt, die den Einfluss des Testosterons reduzieren. Allerdings entwickeln die meisten Patienten eine Resistenz gegen diese Therapien. In dieser Phase sind wirksame Behandlungsmöglichkeiten bislang begrenzt. Mit den aktuellen Ergebnissen wurde ein bisher unbekannter Mechanismus identifiziert, der neue Perspektiven eröffnet: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass TRβ nicht nur ein Treiber für das Tumorwachstum ist, sondern auch als möglicher Angriffspunkt für neue Medikamente dienen könnte“, sagt Studienleiter Lukas Kenner. Als besonders interessant erwies sich in der Studie die Kombination von NH-3 mit bereits etablierten Hemmstoffen des Androgenrezeptors, die in präklinischen Experimenten eine verstärkte Wirksamkeit zeigte.
Publikation: Molecular Cancer
Thyroid Hormone Receptor Beta Signaling is a Targetable Driver of Prostate Cancer Growth.
Aleksandra Fesiuk, Daniel Pölöske, Elvin D. de Araujo, Geordon A. Frere, Timothy B. Wright, Gary Tin, Yasir S. Raouf, Olasunkanmi O. Olaoye, Ji Sung Park, Nicolas Blavet, Boris Tichý, Michaela Schledere1, Sandra Högler, Michael Wolf, Cécile Philippe, Osman Aksoy, Adam Varady, Alejandro Medaglia Mata, Maxim Varenicja, Boglárka Szabó, Theresa Weiss, Gabriel Wasinger, Torben Redmer, Heidi A. Neubauer, Martin Susani, Clemens P. Spielvogel, Jing Ning, Maik Dahlhoff, Martin Schepelmann, Richard Kennedy, Richard Moriggl, Geoffrey Brown, Jenny Persson, Christopher Gerner, Vojtech Bystry, Oldamur Hollóczki, David M. Heery, Patrick T. Gunning, Olaf Merkel#, Brigitte Hantusch#, and Lukas Kenner#.
https://molecular-cancer.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12943-025-02451-2