
(Wien, 10-09-2025) Ein Forschungsteam unter der Leitung von Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien konnte zeigen, dass das Cholesterin in der Zellmembran die Transporter für Serotonin, Dopamin und Noradrenalin feinabstimmt und so das Recycling von Neurotransmittern und die Reaktion auf Medikamente beeinflusst. Diese aktuell im Fachmagazin „Molecular Psychiatry“ publizierten Ergebnisse liefern neue Ansatzpunkte für die Erforschung und Behandlung psychischer Erkrankungen wie Depressionen, Sucht und ADHS.
Das Kommunikationssystem des Gehirns ist auf spezielle Transportproteine angewiesen, die Monoamin-Transporter (MATs), die Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin aus dem Raum zwischen den Nervenzellen, dem synaptischen Spalt, entfernen, nachdem ein Signal gesendet wurde. Durch die Beseitigung dieser chemischen Botenstoffe setzen die Transporter das System zurück und halten die Signalübertragung im Gehirn im Gleichgewicht. Das Forschungsteam um Studienleiter Harald Sitte (Zentrum für Physiologie und Pharmakologie, MedUni Wien) hat nun im Rahmen einer in-vitro-Studie gezeigt, dass Cholesterin in der Zellmembran der Gehirnzellen eine entscheidende Rolle für die Funktion dieser Transporter spielt. Cholesterin ist einer der Hauptbausteine der Zellmembran und steht in enger Wechselwirkung mit den Transportern, wodurch es deren räumliche Form oder Faltung, die Geschwindigkeit des Transportvorgangs und deren Interaktion mit den transportierten Stoffen beeinflussen kann.
Die Forscher:innen untersuchten, wie Veränderungen des Membrancholesterins die Transporteraktivität beeinflussen. Wurde Cholesterin in den Zellmembranen reduziert, nahmen alle drei Transporter weniger effizient Neurotransmitter auf und banden schwächer an Hemmstoffe, die üblicherweise in Medikamenten eingesetzt werden (z.B. Antidepressiva). Besonders auffällig war die Beeinflussung der Serotonintransporter (SERT) durch Veränderungen des Cholesterins: Er zeigte bei Cholesterinmangel Veränderungen in seinem Zusammenschluss mit weiteren SERT-Untereinheiten (Oligomerisierung), ein Prozess, der für die Regulierung dieses Transporters von Bedeutung ist.
„Interessanterweise hatte die Senkung des Membran-Cholesterinspiegels gegensätzliche Auswirkungen darauf, wie die Transporter auf die Neurotransmitter-freisetzende Substanz Amphetamin reagierten“, berichtet Studienleiter Harald Sitte aus der Forschungsarbeit. Bei SERT erhöhte es die Serotoninausschüttung, während es bei den Dopamin- und Noradrenalin-Transportern die Ausschüttung verringerte. Die Erhöhung der Serotoninausschüttung hing von einer anderen Membrankomponente ab, dem PIP2, einem Phospho-Inositol, das an SERT binden und dessen Freisetzungsverhalten und auch die Oligomerisierung von SERT beeinflussen kann.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Cholesterin als „Feinabstimmer“ für die Transporteraktivität fungiert und beeinflusst, wie diese Neurotransmitter recyceln können und auf freisetzende Substanzen wie auch auf sie hemmende Medikamente reagieren. Da Störungen im Serotonin-, Dopamin- und Noradrenalin-System mit psychischen und neurologischen Störungen in Verbindung stehen, könnte das Verständnis der Beziehung zwischen Cholesterin und Transportern neue Erkenntnisse über Erkrankungen wie Depressionen, Sucht und ADHS – und auch deren Behandlung - liefern.
Publikation: Molecular Psychiatry
Cholesterol Shapes How the Brain’s Neurotransmitter Transporter for Serotonin Works.
Deborah Rudin, Dino Luethi, Marco Niello, Jae-Won Yang, Isabella Burger, Walter Sandtner, Ruth Birner-Gruenberger, Gerhard J. Schütz and Harald H. Sitte.
https://www.nature.com/articles/s41380-025-03201-y