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Migration als Verstärker für gesundheitliche Probleme

Zusätzliche Belastung, die sich in bestimmten gesundheitlichen Problemen niederschlagen kann.

(Wien, 24-02-2015) Personen mit einem geringeren sozio-ökonomischen Status und geringer Bildung haben größere gesundheitliche Probleme als der Durchschnitt, unabhängig davon ob sie Migrationshintergrund haben oder nicht. Jedoch geht oft mit der Migration eine zusätzliche Belastung Hand in Hand, die sich in bestimmten gesundheitlichen Problemen wie Adipositas und daraus resultierende  Folgeerkrankungen niederschlagen können. In bestimmten Konstellationen ist auch das Risiko, zu Suchtmitteln zu greifen, ausgeprägter.

Das betonten Expertinnen und Experten der MedUni Wien und der Donau Universität Krems anlässlich des Fach-Symposiums „Migration und Prävention“, das am kommenden Donnerstag zum 3. Mal unter der Leitung des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der Medizinischen Universität Wien in Kooperation mit dem Department für Migration und Globalisierung der Donau-Universität Krems stattfindet.

So wurde bei einer Untersuchung von mehr als 800 PatientInnen bei Allgemeinmedizinern in Wien bei rund 81 Prozent der nicht in Österreich geborenen PatientInnen Übergewicht (37 Prozent) oder Adipositas (43,8 Prozent) diagnostiziert. Von den in Österreich geborenen ProbandInnen war jeder Zweite übergewichtig oder adipös (35 Prozent bzw. 18 Prozent). „In dieser Stichprobe zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen niedrigem Bildungsniveau und Übergewicht“, sagt Ernährungsexpertin Karin Schindler von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien.

Prävention funktioniert nur unter Berücksichtigung des kulturellen Hintergrunds
Für diese Patientengruppe wären Angebote nötig, die die Gesundheitskompetenz und das Verständnis für den Zusammenhang zwischen Lebensstil und Übergewicht verbessern und die PatientInnen in der Gewichtsreduktion unterstützen sowie Veränderungen des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens umfassen, fordert Schindler.

„MigrantInnen haben ein hohes Risiko für gesundheitliche Probleme, wissen aber gleichzeitig nichts über dieses Risiko bzw. ignorieren es so lange bis schwerwiegende und behandlungsbedürftige Probleme auftreten“, sagt Ursula Wiedermann-Schmidt, Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin der MedUni Wien und Organisatorin des Migrationssymposiums in Zusammenarbeit mit Gudrun Biffl von der DonauUni Krems. „Ein Kernthema der diesjährigen Veranstaltung ist, welche Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung dieser aber auch zahlreicher andere Gesundheitsprobleme, wie Suchtverhalten oder Infektionskrankheiten, benötigt werden. Damit aber Präventionsmaßnahmen auch greifen können, müssen die Ansätze vor allem auch die soziokulturellen Hintergründe, Sprachbarrieren und die erschwerte Erreichbarkeit, besonders der MigrantInnen, einbeziehen“.
Ein guter Ansatzpunkt zur Prävention, so die ExpertInnen, ist der Zeitpunkt einer  Schwangerschaft: „Dann sind alle Frauen besonders offen für Gesundheitsthemen.“

Weitere Ansatzpunkte sind Kindergarten und Schule – auch hier ist das Problem der Migration in Zusammenhang mit Übergewicht deutlich. So wurde im Rahmen eines Projekts von SIPCAN, der „Initiative für ein gesundes Leben“, an dem auch ExpertInnen der MedUni Wien mitarbeiten, in einer Studie unter 617 Wiener SchülerInnen festgestellt, dass 70 Prozent der übergewichtigen Kinder über einen Migrationshintergrund verfügen und dass 19 Prozent der Kids mit Migrationshintergrund mehrmals wöchentlich Fast Food essen. Schindler: „Gleichzeitig essen aber mehr Kinder mit Migrationshintergrund täglich Obst und Gemüse, nämlich 31 Prozent gegenüber 14 Prozent der einheimischen Kids.“ Das zeige, dass Präventionsmaßnahmen durchaus auch in dieser Gruppe bereits wirksam sein können.

Besonders gefährdete Gruppen müssen identifiziert werden
Die zunehmende Diversität der österreichischen Bevölkerung stellt das Gesundheitssystem, insbesondere auch die Präventionsarbeit im Suchtbereich, vor neue und zum Teil sehr spezifische Herausforderungen. „Suchtverhalten, Abhängigkeiten sowie Drogenkonsum sind in verschiedenen Kulturen unterschiedlich konstruiert und können andere Muster aufweisen. Wenn wir die kulturellen Hintergründe berücksichtigen, können wir einen Beitrag zum besseren Verständnis der Suchtpräventionsarbeit in einer pluralisierten Gesellschaft leisten“, betont Gudrun Biffl, Leiterin des Departments für Migration und Globalisierung der Donau Universität Krems und Mitveranstalterin des Migrationssymposiums.

Eine Hauptaufgabe der Präventionsarbeit ist es, besonders gefährdete Gruppen zu identifizieren und sie mit diversen zielgerichteten Maßnahmen anzusprechen. Bei den besonders gefährdeten Personengruppen handelt es sich einerseits um Personen, die bereits einen hohen Konsum bzw. einen riskanten Umgang mit Suchtmitteln aufweisen, andererseits um Personen, die ökonomisch und/oder sozial benachteiligt sind, die mit psychischen Problemen und sozialer Ausgrenzung zu kämpfen haben sowie um Personen, die straffällig geworden sind. Die verschiedenen Faktoren können in einem dynamischen Zusammenspiel stehen. Sie unterscheiden sich kaum zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund – abgesehen von einem unterschiedlichen Ausmaß der Betroffenheit von dem einen oder anderen Faktor, so Biffl. Das sei in der Präventionsarbeit zu berücksichtigen.

Weitere Themen des Migrationssymposiums betreffen Infektionskrankheiten und „Re-emerging diseases im Rahmen von Migration, Immigration und Flüchtlingsströmen und welche nationalen Managementstrategien zur Primär- und Sekundärprävention von Infektionskrankheiten vorliegen.

Termin: 3. Fach-Symposium Migration – epidemiologische, soziokulturelle und medizinische Aspekte: „Migration und Prävention“ am Donnerstag, 26. Februar 2015, 9.00 – 17.00 Uhr, Ärztekammer für Wien, Weihburggasse 10-12, 1010 Wien.

Programm siehe unter: www.meduniwien.ac.at/tropenmedizin