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Gefährlicher Trend: Plazenta eignet sich nicht als „Superfood“

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(Wien, 12-10-2017) Immer mehr Frauen wollen die eigene Plazenta nach der Entbindung mitnehmen, um sie zu aus „gesundheitlichen Gründen“ zu verspeisen. Vor allem in den USA, aber auch in Europa wächst dieses Phänomen, obwohl ÄrztInnen zunehmend dagegen Bedenken äußern. So auch der Gynäkologe Alex Farr von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde der MedUni Wien, der dazu nun eine aktuelle Arbeit im „American Journal of Obstetrics and Gynecology“ publiziert hat. 

Prominente Jungmütter aus den USA erzählen in sozialen und anderen Medien, in welcher Form sie die Plazenta ihres Babies zu sich genommen haben. Auch auf vielen esoterischen und alternativmedizinischen Internetseiten findet man Anleitungen und sogar Kochrezepte für die Zubereitung der angeblich gesunden Plazenta. Dieses nach der Geburt abgestoßene Gewebe wird aktuell in einer Mischung aus mythologischen und pseudomedizinischen Argumenten zum Superfood stilisiert. So soll es wegen eines hohen Nährstoff- und Hormongehaltes für eine bessere Milchbildung der stillenden Mutter sorgen, präventiv gegen die Wochenbettdepression wirken und insgesamt neue Energie sowie eine raschere Rückbildung nach der Schwangerschaft bringen. Wissenschaftlich belegt ist jedoch keine der angeblichen Wirkungen. Einerseits, weil es ethisch nicht vertretbar wäre, dieses Thema in einem ausreichend guten Studiendesign zu analysieren und andererseits, weil ein überdurchschnittlich hoher Placeboeffekt anzunehmen ist.

Der Gynäkologe Alex Farr von der Medizinischen Universität Wien arbeitete im Rahmen einer Kooperation mit dem Weill Cornell Medical Center am New York Presbyterian Hospital in New York und forschte über das – teilweise noch stark tabuisierte – Thema. Seine Ergebnisse veröffentlichte er kürzlich im American Journal of Obstetrics and Gynecology als Experten-Statement. Farr: “Medizinisch gesehen ist die Plazenta ein Abfallprodukt. Die meisten Säugetiere fressen die Plazenta nach der Geburt, aber wir können nur vermuten, warum sie das tun. Nachdem die Plazenta genetisch zum Neugeborenen gehört, grenzt das Verspeisen der Plazenta an Kannibalismus“.  Auch Farr sieht keinerlei Hinweise auf medizinische Vorteile. „Im Gegenteil, denn die vermuteten Nährstoffe wie Eisen, Selen und Zink befinden sich in keinen ausreichenden Konzentrationen in der Plazenta. Es wurden jedoch hohe Konzentrationen von Schwermetallen in der Plazenta festgestellt, die sich dort im Laufe der Schwangerschaft ansammeln“.

Und vor allem birgt der Verzehr, der meist in Form verarbeiteter Kapseln oder Globuli geschieht, auch ein Infektionsrisiko. Farr: “Erst im Juni 2017 warnte die Bundesbehörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums, das Center for Disease Control and Prevention (CDC), wegen eines rezenten Falles offiziell vor diesem Trend. Das Baby einer Mutter, die Plazentakapseln gegessen hatte, erlitt mehrmals eine lebensbedrohliche Blutvergiftung durch Streptokokken. Diese Bakterien konnten in den Plazentakapseln der Mutter nachgewiesen werden und wurden wohl von ihr auf das Kind übertragen“. Als problematisch sieht der Gynäkologe, dass es ein gesetzlicher Graubereich ist, ob dem Wunsch der Frauen entsprochen wird, das Gewebe mitzunehmen. Nur wenn Nachuntersuchungen der Plazenta medizinisch erforderlich scheinen, kann dies klar untersagt werden. Farr rät jedenfalls dazu, die jungen Mütter dringend auf das Risiko hinzuweisen.

Service:
Farr A, Chervenak FA, McCullough LB, Baergen RN, Grünebaum A. Human placentophagy: a review. Am J Obstet Gynecol. 2017 Aug 30 [Epub ahead of print]
http://www.ajog.org/article/S0002-9378(17)30963-8/fulltext
DOI: 10.1016/j.ajog.2017.08.016