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Forum Alpbach: In kleinen Schritten zur komplexen Präzisionsmedizin

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Bild: Laurent Ziegler
v.l.n.r.: Peter Nilsson, Christian Herold, Giulio Superti-Furga, Michaela Fritz und Patrice Milos

(Alpbach/APA, 24-08-2018) „Präzisionsmedizin – die Antwort der Medizin auf Diversität?“ – so die Fragestellung einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, die am 23. August im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche stattfand. Unter dem Vorsitz von Patrice Milos, CEO von Medley Genomics, Providence, USA, diskutierte MedUni Wien-Vizerektorin Michaela Fritz mit Expertinnen und Experten über Diversität als Grundlage von Präzisionsmedizin als revolutionäre Entwicklung, die die Medizin nachhaltig hin zu personalisierten Behandlungsmethoden verändern wird. Eingegangen wurde unter anderem auf Fragen nach den Vorteilen, die sich für einzelne PatientInnen durch Präzisionsmedizin ergeben, wie auch über den Einfluss auf zukünftige Technologien.

Die möglichst gezielte Abstimmung von Diagnose und Therapie auf bestimmte Patientengruppen oder gar einzelne PatientInnen ist eine der großen Zukunftsvisionen in der Medizin. Bis die "Präzisionsmedizin" allerdings ausreichend präzise ist, seien noch viele kleine Schritte zu gehen, waren sich die Experten einig.

Die Suche nach dem möglichst optimalen medizinischen Zugang zu einzelnen Krankheiten sowie deren oft zahlreichen Untergruppen, und die Suche nach Antworten auf die Frage, wie unterschiedlich sich diese wiederum im Körper eines Patienten manifestieren, fesselt seit einiger Zeit Heerscharen an WissenschafterInnen weltweit. Alleine diese Tatsache und die rasanten Weiterentwicklungen in diagnostischer Bildgebung, in der Analyse des Erbguts und der Bausteine der Zellen, der Proteine, lasse auf Fortschritte hoffen, so Giulio Superti-Furga, Leiter des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien und Professor für Medical System Biology an der MedUni Wien.

In etwa zehn Jahren werde man auch dank neuer Zugänge zur Datenanalyse in der Medizin daher deutlich detailliertere Einsichten in viele Erkrankungen haben. Wie schwierig es jedoch ist, mehr oder weniger definitive Schlüsse aus all diesen Informationen zu ziehen, werde vor allem dann klar, wenn man sich vor Augen halte, dass jedes Gen sozusagen "eine andere Note" spielt, wie es Superti-Furga ausdrückte. Diese ergeben aber nicht in allen Menschen den gleichen Klang. Und es gebe manche Leute, die Risikogene für eine Erkrankung haben, gleichzeitig aber auch über eine Erbgut-Mutation verfügen, die diesen Fehler wieder ausgleicht. Superti-Furga: "Es ist wunderbar kompliziert."

Momentan würden ständig Hinweise auf neue Anzeiger für Krankheiten oder genetische Signaturen, die den Erfolg einer Therapie bei bestimmten Personen vorhersagen, auftauchen. Die Interpretation sei aber schwierig, so der Proteinspezialist Peter Nilsson vom Royal Institute of Technology in Stockholm. Das Problem sei, dass es eben große Überlappungen in den Erscheinungsformen verschiedener Erkrankungen gebe und Patientengruppen einander auch sehr ähnlich sind. Wenn aber "viele kleine Schritte" gesetzt werden, könnte es schon bald vielleicht relativ simple Bluttests geben, die verlässlicher zeigen, welche Spezialisten ein Auge auf einen Patienten werfen sollten.

Den Bereich der Onkologie sieht der Leiter der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der Medizinischen Universität Wien, Christian Herold, in Sachen Präzisionsmedizin aktuell am weitesten fortgeschritten. Wer allerdings in den Genuss möglichst spezifischer Behandlungen kommt, hänge stark davon ab, in welchem Gesundheitssystem man sich befinde. Fast noch entscheidender sei aber der Zugang zu spezialisierten Einrichtungen, der auch in hoch entwickelten Ländern erstaunlich unterschiedlich sein könne, betonte Herold.

Datensammeln als Vertrauensfrage
Neben dem Zugang zur und vor allem der Finanzierung von Ansätzen der Präzisionsmedizin, stellt sich für Michaela Fritz, Vizerektorin der MedUni Wien, auch die Vertrauensfrage. Denn Unis und Forschungseinrichtungen müssen immer mehr Daten sammeln. Dementsprechend wichtig sei es, dass PatientInnen nicht das Vertrauen genommen wird, dass mit ihren Daten auch gute und verantwortungsvolle Wissenschaft betrieben wird, sagte Fritz. Für die Präsidentin des US-Unternehmens Medley Genomics, Patrice Milos, ist Europa hier aufgrund seiner durch weitreichendes Vertrauen gekennzeichneten, stabilen Gesundheitssysteme in einer guten Position.

(APA nt/cm/ren - red)

MedUni Wien errichtet Zentrum für Präzisionsmedizin

Unter dem Slogan „Schwere Krankheiten sind nicht mehr das Ende“ hat die Medizinische Universität Wien eine umfangreiche Fundraising-Aktion zur Bewusstseinsbildung für Präzisionsmedizin und zur Errichtung eines Forschungszentrums gestartet. Das Zentrum für Präzisionsmedizin soll bis zum Jahr 2022 am MedUni Campus AKH fertiggestellt werden. Es soll eines der führenden Zentren für Forschung und Entwicklung von Therapien auf diesem Gebiet werden und maßgeblichen Anteil an der Medizin des 21. Jahrhunderts haben.

Grundlage der Präzisionsmedizin – oder auch „personalisierte Medizin“ – sind moderne Diagnostik-Methoden wie die Genom-Sequenzierung oder die molekulare Bildgebung. Damit soll es in Zukunft noch besser möglich sein, Patientinnen und Patienten zielgerichteter und individueller zu behandeln.