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„Papageno-Effekt“: Menschen in suizidaler Krise profitieren deutlich von persönlichen Erfahrungen über gemeisterte Krisen

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(Wien, 25-02-2020) Die Rolle von Personen mit eigenen Erfahrungen von Suizidalität ist ein wichtiges Thema in der Suizid-Präventionsarbeit. In einer nun im Top-Journal „The British Journal of Psychiatry“ publizierten Studie konnten Thomas Niederkrotenthaler und Benedikt Till von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums für Public Health an der MedUni Wien erstmals zeigen, dass diese präventive Wirkung ganz besonders stark ist, wenn vulnerable Personen – die im vergangenen Jahr Suizidgedanken oder sogar einen Suizidversuch hatten – einen persönlichen Bericht eines Menschen lesen, der eine ähnliche Krise bereits gemeistert hat.

Die beiden Forscher der MedUni Wien hatten schon in den vergangenen Jahren den sogenannten „Papageno-Effekt“ in Medien beforscht – aber noch nie mit einer vulnerablen Gruppe. Benannt ist dieser Effekt in Anlehnung an Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“, in der die Hauptfigur Papageno im Glauben um den Verlust seiner geliebten Papagena Selbsttötungsabsichten hegt, jedoch von drei Knaben davon noch abgebracht wird.

Persönlicher, positiver Erfahrungsbericht hilft Betroffenen
Dieses Mal waren 266 ProbandInnen in die Studie eingeschlossen, davon hatten 51 Personen im vergangenen Jahr einen Suizidversuch unternommen. Nach dem Lesen eines Artikels, in dem ein Mensch, der in einer ähnlichen Krise gewesen war, über seine Erfahrungen und darüber, wie er diese Krise gemeistert hat, berichtet, ging Suizidalität in dieser Gruppe um 20.3 Prozent zurück.

In einem zweiten Artikel ging es um einen Experten, der Tipps zur Bewältigung suizidaler Gedanken gibt – hier verringerten sich Suizidgedanken um durchschnittlich 9.6 Prozent, allerdings war dieser Effekt nicht signifikant. Bei der Kontrollgruppe, die einen Artikel über die Influenzaimpfung zu lesen bekam, gab es keinen Effekt.

„Das zeigt ganz deutlich: Betroffene zu befragen und deren positive Erfahrungsberichte medial zu verbreiten, hilft anderen potentiell suizidgefährdeten Personen ganz besonders. Die Ergebnisse unserer Studie sind sozusagen ein Appell an die Medien, das Themenfeld zu übernehmen und damit präventiv zu wirken“, sagt Niederkrotenthaler. In der Suizidforschung und bei der therapeutischen Unterstützung Betroffener werden daher auch neue Ansätze forciert, die die persönlichen Erfahrungen anderer Betroffener involvieren, sei es durch Online-Beratung oder als begleitende Maßnahmen bei psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungen.

„Papageno-Medienpreis“
Zur weiteren Verbreitung der Medienrichtlinien und zur Förderung von suizidpräventiver Berichterstattung wurde vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK), von der österreichischen Gesellschaft für Suizidprävention (ÖGS) und der Wiener Werkstätte für Suizidforschung der „Papageno-Medienpreis“ ins Leben gerufen. Dieser wird künftig jährlich rund um den 10. September, dem Weltsuizidpräventionstag, verliehen.

Service: The British Journal of Psychiatry
„Effects of suicide awareness materials on individuals with recent suicidal ideation or attempt: online randomised controlled trial.“ Thomas Niederkrotenthaler and Benedikt Till. DOI:10.1192/bjp.2019.259.

Das Zentrum für Public Health der MedUni Wien empfiehlt Betroffenen und Interessierten das Suizidpräventions-Portal www.suizid-praevention.gv.at. Dieses ist in das Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs www.gesundheit.gv.at eingebettet.