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„Studierende gegenüber Esoterik in der Medizin sensibilisieren“

Ergebnisse des Wahlfaches "Komplementärmedizin: Esoterik und Evidenz" in Sonderband der Wiener Klinischen Wochenschrift publiziert
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(Wien, 08-06-2020) Das an der MedUni Wien angebotene Wahlfach „Homöopathie“ wurde im Sommersemester 2019 durch das Wahlfach „Komplementärmedizin: Esoterik und Evidenz“ ersetzt. Hier durchleuchten Studierende kritisch alternative Heilmethoden wie Traditionell Chinesische Medizin oder Homöopathie. Ihre Ergebnisse wurden nun in einem Sonderband der Wiener Klinischen Wochenschrift publiziert. Warum der kritische Umgang mit Komplementärmedizin wichtig ist, erklärt der Pharmakologe und Lehrveranstaltungsleiter Harald Sitte.

Akupunktur, Akupressur, Homöopathie, Bachblüten, Kneippmedizin oder Traditionelle Chinesische Medizin (TCM): Alternative Heilmethoden boomen und „sind eine Realität, die Medizinerinnen und Mediziner in der freien Wildbahn einfach betrifft“, sagt Harald Sitte. Schon deshalb müssten sich angehende MedizinerInnen mit diesen auseinandersetzen. Als im Herbst 2018 das Wahlfach Homöopathie nach zahlreichen Beschwerden Studierender vom Lehrplan der MedUni Wien gestrichen wurde, habe er sich deshalb gemeinsam mit einer Gruppe von Professorinnen und Professoren für ein neues Wahlfach eingesetzt, das die Komplementärmedizin kritisch hinterfrage. Im Sommersemester 2019 wurde dieses unter dem Titel „Komplementärmedizin: Esoterik und Evidenz“ erstmals angeboten. Mit regem Zuspruch: Rund 80 Studierende nahmen aktiv teil, weshalb das neue Fach im Wintersemester gleich wieder auf dem Lehrplan stand. „Die Studierenden sind wirklich sehr engagiert. Ich finde es wichtig, sie gegenüber Esoterik zu sensibilisieren und zur Frage anzuleiten: Was gibt es an Evidenz und wo ist es nur noch ein Geschäftsmodell?“

Harald Sitte: "Was gibt es an Evidenz und wo ist es nur noch ein Geschäftsmodell?"

Impfskepsis und Homöopathieglaube weit verbreitet
Die Studierenden des Sommersemesters 2019 erarbeiteten gemeinsam mit ihren ProfessorInnen eine Artikelserie für die Wiener Klinische Wochenschrift: „Wir wollen hier als MedUni Wien auch in der Öffentlichkeit Position beziehen. Die Ergebnisse unserer Arbeit wurden Open Access, also für alle zugänglich, publiziert“, so Sitte.

Untersucht wurden von den Wahlfachstudierenden folgende Themen: Phytotherapie, Ayurveda, orthomolekulare Medizin, manuelle Therapie, Traditionelle Chinesische Medizin, Homöopathie, begleitende Krebstherapien, aber auch Impfskepsis sowie Placebo- und Nocebowirkung (negative Nebenwirkungen, die subjektiv wahrgenommen werden, obwohl ein Präparat wirkungslos ist). Eine Umfrage zur Verbreitung alternativer Heilmethoden in Österreich, die ebenfalls im Rahmen des Projekts durchgeführt wurde, weise darauf hin, dass „Impfskepsis und Homöopathieglaube in der Bevölkerung oft miteinander verbunden und gerade in der bildungsnahen Schicht weit verbreitet“ seien.

Hohe Gewinnmargen für Hersteller von Homöopathie und anderen komplementärmedizinischen Mitteln
Den anhaltenden Zulauf zur Komplementärmedizin sieht er übrigens nicht nur im Wunderglauben der Bevölkerung begründet, sondern auch im privilegierten Status, den der Markt Herstellern homöopathischer Mittel einräume: „Die Gewinnmarge für Präparate ohne wirksame Inhaltsstoffe ist naturgemäß hoch. Als Hersteller muss ich keine Kosten für Forschung und aufwendige klinische Studien einplanen und brauche mich nicht mit einer langwierigen Zulassung auseinanderzusetzen. Ich kann das Produkt einfach verkaufen und brauche kaum Angst zu haben, dass es jemandem durch unsachgemäße Anwendung schadet. Bei konventionellen Medikamenten liegt die Gewinnmarge viel niedriger. Das macht die Homöopathie und andere komplementärmedizinische Mittel für Unternehmen so reizvoll.“