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Körpereigenes Enzym als Ansatzpunkt für COVID-19-Therapien

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(Wien, 01-03-2021) Das Enzym ACE2 in der Membran von Körperzellen spielt normalerweise eine Rolle bei der Regulation des Blutdrucks und des Schutzes bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Coronavirus SARS-CoV-2 nutzt es zum Andocken an die Körperzellen, um sie zu infizieren. Bisher herrschte die Annahme, dass die Konzentration des Enzyms bei COVID-19-Infektionen im Körper sinkt, weshalb ein neu entwickeltes Medikament (gentechnisch hergestelltes ACE2) darauf abzielt, diese zu erhöhen. Eine aktuelle Studie der MedUni Wien zeigt aber, dass die Konzentration bei einer Infektion nicht sinkt, sondern sich sogar erhöhen kann.

ACE2 ist Teil des Renin-Angiotensin Systems (RAS), das den Flüssigkeitshaushalt und den Blutdruck des Körpers beeinflusst. Hier wirken mit ACE und ACE2 zwei Enzyme in einem Zusammenspiel mit bzw. gegeneinander. Während ACE bei Stress unter anderem den Blutdruck steigert, wirkt ACE2 diesem Stress entgegen und übt neben der Gefäßerweiterung zur Senkung des Blutdrucks auch noch andere Funktionen aus, wie zum Beispiel Entzündungshemmung. Dieses Zusammenspiel wie im RAS tritt bei vielen physiologischen Systemen auf.

Dass sich die Konzentration von ACE2 im Körper bei einer Corona-Infektion verändert, war angesichts seiner Rolle im Infektionsprozess erwartet worden. Tatsächlich gab es bereits zu Beginn der Pandemie frühere Daten, die zeigten, dass ACE2 im Krankheitsverlauf sinken könnte. Basierend auf Tierversuchen mit SARS-CoV(-1) ging man davon aus, dass diese Daten auch für SARS-CoV-2 bei infizierten Menschen gelten. Für die Gewebeschäden bei schweren Verläufen der Infektion wurde somit das vermeintliche Sinken des ACE2 verantwortlich gemacht.

Zufuhr von ACE2 als Medikament
Ein Therapieansatz für diese Annahme ist die Verabreichung von ACE2. Einer der Gedanken dahinter ist, das Virus an das gespritzte ACE2 binden zu lassen und dadurch die Zahl der infizierten Körperzellen zu senken. Es gibt zwar bereits einen publizierten „Case Report“, bei dem sich der Zustand einer schwer betroffenen Patientin nach Verabreichung von ACE2 deutlich verbesserte. Genauere Studien über die Auswirkungen des neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) auf das RAS im Menschen fehlten aber bislang. Dennoch zielt das neu entwickelte Medikament auf eine Zufuhr von ACE2 ab.

Erhöhte ACE2-Konzentration bei Corona-Infektion
Ein Team um Manfred Hecking und Roman Reindl-Schwaighofer von der Klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien und des AKH Wien konnte nun in einer großen klinischen Studie nachweisen, dass das ACE2 bei COVID-19-Erkrankungen nicht abfällt. Dazu wurde 126 Personen während einer akuten Corona-Infektion Blut abgenommen und mittels Massenspektrometrie analysiert.

Es bestätigte sich zwar die Annahme, dass das RAS bei einer Corona-Infektion aus der Bahn gerät, aber in eine überraschende Richtung: „ACE2 fällt bei COVID-19 Erkrankungen nicht nur nicht ab, im Rahmen schwerer Krankheitsverläufe, bei denen die PatientInnen mit massiver Luftnot zum Teil auf der Intensivstation beatmet werden mussten, stieg die Konzentration um mehr als das Siebenfache“, erklären die Studienleiter Manfred Hecking und Roman Reindl-Schwaighofer. Die ForscherInnen nehmen an, dass dieser Effekt direkt auf die Lungenschädigung zurückgehen könnte. „Dass nach einer SARS Infektion ACE2 steigt, könnte auch an der Lungenentzündung selber liegen.“ Womöglich produzieren schwer entzündete Lungen also häufiger ACE2.

Laut Hecking und Reindl-Schwaighofer widersprechen die neuen Daten nicht einer Gabe von ACE2 als Medikament. Der Körper ist aber offensichtlich selbst imstande, bei schwereren COVID-19 Verläufen mehr ACE2 zu produzieren. „Frühzeitige Verabreichung von hohen Dosen an ACE2 kann vor allem deshalb sinnvoll sein, da der Körper eine Zeit braucht, bis das ACE2 erhöht wird und es anfangs nicht in klinisch relevanten Dosen vorliegt.“

In weiteren Untersuchungen wollen die ForscherInnen nun die Regulation des RAS direkt im Lungengewebe untersuchen. Die aktuell noch laufende klinische Studie ist Teil eines Forschungsprojektes namens „Covid-19 und RAS-Blockade“, das vom FWF wegen seiner Relevanz in der Corona-Pandemie im „Fast-Track“-Verfahren im Mai 2020 genehmigt wurde. Ein Teil der untersuchten Personen stammt aus der größten klinischen Studie zu Corona in Österreich, ACOVACT, bei der die klinische Wirksamkeit von Therapeutika gegen eine Corona-Erkrankung untersucht wird.

Service: American journal of respiratory and critical care medicine
Angiotensin-Converting Enzyme 2 (ACE2) Elevation in Severe COVID-19
Roman Reindl-Schwaighofer, Sebastian Hödlmoser, Farsad Eskandary, Marko Poglitsch, Diana Bonderman, Robert Strassl, Judith H Aberle, Rainer Oberbauer, Alexander Zoufaly, Manfred Hecking.
Am J Respir Crit Care Med. 2021 Feb 18., doi: 10.1164/rccm.202101-0142LE.
Online ahead of print. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33600742/