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Zwei FWF-Grants innerhalb eines Jahres für Forschungsprojekte der MedUni Wien zur Nervenregeneration mit Spinnenseide

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Bild: Schwann-Zellen (pink und blau) haften an Spinnenseide (grün)

(Wien, 11-10-2021) Das Forschungsteam rund um Christine Radtke von der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie der Medizinischen Universität Wien erhält für seine Forschungsprojekte zum Thema Nervenregeneration mit Spinnenseide zwei Grants vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) innerhalb eines Jahres. In diesen Projekten untersuchen die ForscherInnen die verschiedenen Eigenschaften von Spinnenseiden und ob sich Spinnenseide und Hydro-Gele als Materialien für Füllungen von synthetischen Nervenleitungen (Conduits) eignen.

Die Regeneration von verletzten Nerven ist eine der größten Hürden in der rekonstruktiven Chirurgie. Trotz kontinuierlicher Bemühungen zur Verbesserung der Genesung beeinträchtigen Komplikationen und/oder Folgeoperationen die Lebensqualität der PatientInnen stark. Eine der Methoden zur chirurgischen Behandlung eines verletzten Nervs ohne Transplantation ist die Verwendung von künstlichen Nervenleitungen, den Conduits. Dabei handelt es sich um Röhrchen, die an beide Teile des verletzten Nervs genäht werden und das Wachstum von Zellen und Nervenfasern unterstützen. Sie bieten eine Leitstruktur für die Regeneration von Axonen und umgehen gleichzeitig die Nachteile, die bei einer Transplantation durch die Gewinnung von körpereigenem Material entstehen. Die hohlen Conduits haben jedoch ihre Grenzen, da sie bei größeren Nervenverletzungen von mehr als drei Zentimetern bisher keine erfolgreiche Regeneration ermöglichen. Christine Radtke und ihre KollegInnen untersuchen nun Spinnenseidenfasern als vielversprechendes Füllmaterial für synthetische Conduits, um auch größere Nervenverletzungen zu behandeln.

Spinnenfäden vernetzen verletzte Nerven
Das Team rund um Christine Radtke forscht bereits seit mehreren Jahren am Einsatz von Spinnenseide in der Nervenregeneration. Spinnenfäden haben unvergleichliche Eigenschaften wie hohe Elastizität und Festigkeit sowie eine gute Wärmebeständigkeit und Biokompatibilität. Bei der Verwendung in Nervenconduits haften zudem die Schwann-Zellen, die ein wichtiger Teil des Nervenregenerationsprozesses sind, an der Spinnenseide und bewegen sich gezielt entlang der Fasern. Da es sich bei Spinnenseide um ein natürliches Material mit begrenzter Verfügbarkeit handelt, untersucht das Team von Radtke in einem der beiden vom FWF geförderten Projekte die Materialeigenschaften der Fasern, um herauszufinden, welche Eigenschaften ein synthetisches Material für die medizinische Anwendung besitzen sollte. Dafür werden Seiden von verschiedenen Spinnenarten nach chemischen, mechanischen, strukturellen und morphologischen Eigenschaften untersucht, sowohl im trockenen als auch im nassen Zustand der Fasern.

Im zweiten Forschungsvorhaben wird Spinnenseide gemeinsam mit anderen Materialien als Füllung für Nervenconduits erforscht. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass Spinnenseidenfasern als Füllmaterial in Venentransplantaten einen Nervenschaden über die kritische Länge von sechs Zentimetern erfolgreich reparieren. „Der nächste Schritt besteht darin, die Venentransplantate durch gefüllte synthetische Conduits zu ersetzen. Wir füllen dafür die Conduits mit Spinnenseiden und Hydro-Gelen, von denen wir annehmen, dass sie in ihrer Kombination ideale Voraussetzungen für eine Nervenregeneration bieten“, erklärt Christine Radtke das aktuelle Projekt. Während die Seide als Leitstruktur für die Regeneration von Axonen fungiert, bieten Hydro-Gele eine dreidimensionale Matrix, die das Gewebe imitiert und strukturelle Integrität verleiht und somit den Kollaps langer Leitungen verhindert. „Wir nehmen an, dass in Hydro-Gel eingebettete Spinnenseidenfasern das Potenzial haben, künstliche Conduits so zu verbessern, dass sie eine gleichwertige Alternative zum Nerventransplantat für lange Nervenverletzungen werden“, so Radtke.

Die beiden Projekte „Das ideale Conduit in der peripheren Nervenregeneration“ und „Warum mögen Schwann-Zellen Spinnenseide“ werden bis 2024 vom FWF gefördert. Neben Klinikleiterin Christine Radtke als Projektleiterin arbeiten Helga Lichtenegger, Aida Naghilou, Lorenz Semmler und Flavia Millesi an den Forschungsprojekten. Helga Lichtenegger ist Expertin für Biomaterialien und Techniken zur strukturellen und mechanischen Charakterisierung. Aida Naghilou bringt ihre umfassende Erfahrung in Spektroskopie, Optik und Zellkulturstudien zur Nervenregeneration in das Projekt ein. Lorenz Semmler ist Spezialist für die Bewertung verschiedener funktioneller Outcome-Parameter in Tiermodellen und Flavia Millesi etablierte mehrfarbige Immunfluoreszenzpanels sowie Migrationsassays, die eine detaillierte Beurteilung der Zellcharakteristik von Spinnenseiden erlauben.