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Wulf Haubensak übernimmt Professur für Neuronale Zellbiologie an der MedUni Wien

Hirnforscher kartiert neuronale Baupläne für Emotionen
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Bild: IMP/Lukas Beck

(Wien, 08-10-2021) Wulf Haubensak übernahm mit 1. Oktober 2021 die Professur für Neuronale Zellbiologie (§98) an der MedUni Wien. Der Hirnforscher kommt vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) an die MedUni Wien und wird die Leitung der Abteilung für Neuronale Zellbiologie am Zentrum für Hirnforschung übernehmen.

Bereits in seiner Diplomarbeit beschäftigte sich Wulf Haubensak mit den Funktionen des Gehirns. „Ich wollte verstehen, wie neuronale Netzwerke lernen. Bei meiner Dissertation ging es darum, wie sich Nervenzellen im Embryo ausbilden und warum bestimmte Hirnregionen im Lauf der Evolution immer größer wurden.“ Als Postdoc schlug er dann die Brücke von der Gehirnentwicklung zur Funktion und untersuchte Schaltkreise für Angst. In seiner Zeit am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am Vienna BioCenter hat er mit seinem Team Emotionsschaltkreise kartiert und untersucht jetzt, wie Gene Schaltkreisdynamiken und affektive Entscheidungen beeinflussen.

Neuronale Baupläne für Emotionen
„Emotionen sind zentrale Elemente des Erlebens und unseres mentalen Selbst. Alles, was uns wichtig ist, ist mit Emotionen verknüpft. Emotionen helfen dabei, das für uns Wesentliche aus den Millionen von Reizen zu filtern, diese Eindrücke abzuspeichern und schließlich die richtige Verhaltensentscheidung zu treffen“, erklärt Haubensak, „solche affektiven Prozesse leiten uns, vom Überleben in der Wildnis bis zu komplexen Herausforderungen moderner Gesellschaften und virtueller Welten.

Haubensak und sein Team gehen der Frage nach, wie das Gehirn emotionale Reize verarbeitet, wie es emotionale Erinnerungen speichert und emotionales Verhalten steuert. „Die Forschungsarbeit unserer Gruppe ist wie eine Reise ins Gehirn, bei der wir die neuronale Architektur emotionalen Verhaltens kartieren“, erklärt Haubensak, „mittels Live-Fluoreszenzmikroskopie und Optogenetik beobachten und verändern wir im Mausmodell Aktivitätsmuster in neuronalen Netzwerken. Aus diesen Daten können wir dann ableiten, wie bestimmte neuronale Schaltkreismotive emotionale Aufgaben lösen.
Hier interessieren uns zuerst Schaltkreise zwischen Emotionen in der Amygdala, und Empfindungen (wie fühle ich mich) im Kortex. Wie kann deren Zusammenspiel Umweltreizen emotionale Salienz (wie wichtig ist etwas) und Valenz (ist etwas gut oder schlecht) zuordnen?“ Dann wollen die ForscherInnen verstehen, wie die Salienz- und Valenzinformation solcher emotionaler Erlebnisse in neuronalen Netzwerken gespeichert und wieder ausgelesen werden. Schließlich untersucht die Forschungsgruppe, wie emotionale Verhaltensantworten wiederum räumlich und zeitlich angepasst werden. So werden beispielsweise Angstreaktionen stärker, wenn die Bedrohungen näherkommen: ein Löwe, Kilometer entfernt, wird weniger Reaktion auslösen als auf Armeslänge. Auch kann es vorteilhaft sein, in bestimmten Situationen eine unmittelbare impulsive emotionale Entscheidung zurückzuhalten, um später einen größeren zukünftigen Gewinn zu erzielen.
Zusammengenommen gibt diese Forschung Einblicke, wie Emotionen in unserem Gehirn helfen unsere Umwelt zu interpretieren und Verhalten zu steuern.

Verschiedene Gehirne interpretieren und reagieren auf unsere Umwelt individuell sehr unterschiedlich. Eine Frage ist, wie diese Vielfalt zustande kommt. Sicher auch dadurch, dass neuronale Schaltkreise zu gewissen Teilen genetisch vorprogrammiert werden können, was unterschiedliche Verhaltenszüge (etwa furchtsam, impulsiv, dominant) oder psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen begünstigt.

„Unser vorheriges Verständnis emotionaler Schaltkreise erlaubt nun in einem zweiten Projekt zu untersuchen, wie die emotionalen Rechenvorgänge durch Gene beeinflusst werden. Eine attraktive Hypothese ist, dass die genetische Varianz mehrerer Verhaltensgene in bestimmten Knotenpunkten akkumuliert und so den Übergang zwischen Verhaltenstypen steuert“, erklärt Haubensak. „Um dies zu erforschen, entwickeln wir Methoden, die Neurophysiologie mit Verhaltensgenetik integrieren. Auf lange Sicht hoffen wir so Zusammenhänge zwischen genetischer Varianz, Schaltkreisdynamik und Verhaltensübergängen zu charakterisieren, die letztlich emotionale Diversität und psychiatrische Erkrankungen treiben.“

Zur Person
Wulf Haubensak studierte Biochemie an der Universität Bochum und absolvierte sein PhD-Studium der Neurobiologie an der Universität Heidelberg und am Max-Planck Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden. Ein Forschungsaufenthalt als Postdoc führte ihn an das California Institute of Technology (USA). Danach übernahm er die Leitung der Forschungsgruppe „Circuit mechanics of emotional behavior“ am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) am Vienna BioCenter in Wien. Er konnte mehrere hochdotierte Förderungen durch ERC Starting und FWF DACH Grants, sowie ein Boehringer Ingelheim Forschungsprojekt in seine Forschung einbinden.