Sarah Stadlmayr, BSc. MSc. PhD
MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, Dezember 2025
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Frau Sarah Stadlmayr BSc. MSc. PhD, aus Anlass der im Top-Journal „Advanced Healthcare Materials“ (IF 10.0) erschienenen Arbeit „Comparative Analysis of Various Spider Silks in Regard to Nerve Regeneration: Material Properties and Schwann Cell Response“ [1]. Diese multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen des PhD-Studiums von Sarah Stadlmayr an der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie in der Arbeitsgruppe von Univ.-Prof.in Dr.in med. Christine Radtke, MBA, FEBOPRAS und wurde in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur, der Universität Wien, der Universität Leiden, und dem College of William & Mary realisiert.
Spinnenseide im Vergleich: Der Einfluss unterschiedlicher Fasern und deren Charakteristika auf Zellen der Nervenregeneration
Trotz signifikanter medizinischer Fortschritte in der Behandlung von peripheren Nervenverletzungen bleibt eine vollständige motorische Regeneration nach wie vor eine Seltenheit. Für die Rekonstruktion langstreckiger Nervendefekte, bei welchen eine spannungsfreie Naht der beiden Nervenenden nicht möglich ist, gilt körpereigenes Nervengewebe nach wie vor als Goldstandard. Der Einsatz autologer Nerventransplantate weist jedoch unterschiedliche Nachteile auf, darunter die begrenzte Verfügbarkeit von Spendernerven [2]. Um diese Limitationen zu überwinden, wird verstärkt nach Alternativen gesucht, wobei Nervenleitschienen als vielversprechende Option für kleine Nervendefekte beschrieben wurden. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei Nervenleitschienen, die natürliche Spinnenseide als luminale Gerüststruktur verwenden, da sie in in vivo Studien auch langstreckige Nervendefekte erfolgreich überbrücken konnten [3,4,5]. Aufgrund ihres außergewöhnlichen medizinischen Potentials wird versucht, synthetische Seide auf Basis rekombinanter Proteine unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen im industriellen Maßstab herzustellen, um somit eine Translation der Spinnenseide in die klinische Praxis zu ermöglichen. Dafür ist es zunächst notwendig, die essentiellen Materialeigenschaften der Seiden zu entschlüsseln, die dem Erfolg in der Nervenregeneration zu Grunde liegen. Ziel dieser Studie war es daher, die regenerative Wirkung unterschiedlicher nativer Spinnenseiden auf Schwann Zellen – zentrale Akteure der Nervenregeneration – zu analysieren und quantifizieren sowie deren Effekte mit den Materialeigenschaften der jeweiligen Seide zu korrelieren. Dieses Wissen bildet die Grundlage für den nächsten Schritt hin zu einem gezielten Design synthetischer Spinnenseide, um diese routinemäßig als Füllmaterial für Nervenleitschienen einsetzbar zu machen.
Konkret wurde in der vorliegenden Studie die regenerative Wirkung dreier unterschiedlicher Spinnenseiden auf Schwann Zellen mittels Live Cell Imaging, Immunfluoreszenzfärbung und Transkriptomanalyse untersucht und verglichen. Dabei zeigte sich eine erhöhte Migrationsgeschwindigkeit auf der Seide der Springspinne (Phidippus regius). Um diesen Effekt mit den Eigenschaften der Seidenfasern zu korrelieren, wurde deren Morphologie mittels Rasterkraft- (AFM) und Rasterelektronenmikroskopie (SEM) analysiert. Die primäre Proteinstruktur wurde durch Aminosäureanalyse und Proteomics charakterisiert, während die mechanischen Eigenschaften mittels Nanoindentation bestimmt wurden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Kombination aus primärer Proteinstruktur und mechanischen Eigenschaften maßgeblich zur schnelleren Migration von Schwann Zellen auf der Springspinnen-Seide beiträgt. Diese Studie ermöglicht einen entscheidenden Fortschritt im Verständnis der einzigartigen Eigenschaften von Spinnenseide, welche ihren Erfolg in der Nervenregeneration ermöglichen. Dadurch werden neue Möglichkeiten eröffnet, natürliche Seide als Vorlage für die Entwicklung synthetischer Fasern im neuronalen Tissue Engineering zu nutzen.
Zur Person
Frau Sarah Stadlmayr absolvierte ihr Bachelorstudium in Molekularen Biowissenschaften an der Paris Lodron Universität Salzburg (2015–2018) sowie ihr Masterstudium in Biologischer Chemie an der Universität Wien (2018–2020). Im September 2024 schloss sie ihr PhD-Studium „Neuroscience“ (N094) der Medizinischen Universität Wien unter der Supervision von Univ.-Prof.in Dr.in med. Christine Radtke, MBA, FEBOPRAS und Dr.in Aida Naghilou erfolgreich ab. Nach Abschluss ihres PhD Studiums wechselte sie im April 2025 in die Forschungsgruppe von Univ. Prof.in Dr.in Anna Rising am Karolinska Institutet in Stockholm, um dort ihr Erwin Schrödinger Projekt durchzuführen.
Neben ihrer Forschungstätigkeit engagiert sich Frau Stadlmayr, PhD auch in der akademischen Lehre und der Wissenschaftskommunikation. Sie lehrt im Humanmedizinstudiums der Medizinischen Universität Wien, wo sie bereits mit dem Lehrpreis für „Curriculare Innovation“ ausgezeichnet wurde, sowie im Bachelor-Studiengang „Medical and Pharmaceutical Biotechnology“ an der IMC Fachhochschule Krems.
Ausgewählte Literatur
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Stadlmayr, S., Peter, K., Millesi, F., Rad, A., Wolf, S., Mero, S., Zehl, M., Mentler, A., Gusenbauer, C., Konnerth, J., Schniepp, H.C., Lichtenegger, H., Naghilou, A., Radtke, C. Comparative Analysis of Various Spider Silks in Regard to Nerve Regeneration: Material Properties and Schwann Cell Response. Advanced Healthcare Materials 13 (2024), doi: 10.1002/adhm.202302968.
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Selim, O.A., Lakhani, S., Midha, S., Mosahebi, A., Kalaskar, D.M. Three-Dimensional Engineered Peripheral Nerve: Toward a New Era of Patient-Specific Nerve Repair Solutions. Tissue Eng Part B Rev. ;28 (2):295-335 (2022). doi: 10.1089/ten.TEB.2020.0355
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Semmler, L., Naghilou, A., Millesi, F., Wolf, S., Mann, A., Stadlmayr, S., Mero, S., Ploszczanski, L., Greutter, L., Woehrer, A., Placheta-Györi, E., Vollrath, F., Weiss, T., Radtke, C. Silk-in-Silk Nerve Guidance Conduits Enhance Regeneration in a Rat Sciatic Nerve Injury Model. Advanced Healthcare Materials, 12 (2023). doi: 10.1002/adhm.202203237.
- Kornfeld, T., Nessler, J., Helmer, C., Hannemann, R., Waldmann, K.H., Peck, C.T., Hoffmann, P., Brandes, G., Vogt, P.M., Radtke, C. Spider silk nerve graft promotes axonal regeneration on long distance nerve defect in a sheep model. Biomaterials, 271, 120692 (2021). https://doi.org/10.1016/j.biomaterials.2021.120692
- Vogt, P.M., Radtke, C., Krezdorn, N., Kollewe, K., Liebsch, C., Dastagir, K., Strauß, S. Biological conduits based on spider silk for reconstruction of extended nerve defects. Innovative Surgical Sciences, 9 (3), 133-142 (2024). https://doi.org/10.1515/iss-2023-0050
- Stadlmayr, S., Mautner, A., Bacher, M., Peter, K., Mentler, A., Schulz, S., Lichtenegger, H., Brecker, L., Bismarck, A., Radtke, C., Naghilou, A. Holistic Analysis of Material Properties in Phylogenetically Diverse Spider Silk and their Influence on Cell Adhesion. Advanced Functional Materials, 2415945 (2024), https://doi.org/10.1002/adfm.202415945
- Peter, K., Stadlmayr, S., Naghilou, A., Ploszczanski, L., Hofmann, M., Riekel, C., Liu, J., Burghammer, M., Gusenbauer, C., Konnerth, J., Schniepp, H.C., Rennhofer, H., Sinn, G., Radtke, C., Lichtenegger, H. Exploring the Unique Properties and Superior Schwann Cell Guiding Abilities of Spider Egg Sac Silk. ACS Applied Bio Materials, 8 (2), 1307-1319 (2025). doi: 10.1021/acsabm.4c01587
- Naghilou, A., Peter, K., Millesi, F., Stadlmayr, S., Wolf, S., Rad, A., Semmler, L., Supper, P., Ploszczanski, L., Liu, J., Burghammer, M., Riekel, C., Bismarck, A., Backus, EHG., Lichtenegger, H., Radtke, C. Insights into the material properties of dragline spider silk affecting Schwann cell migration. International Journal Biological Macromolecules, 244 (2023). doi: 10.1016/j.ijbiomac.2023.125398