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Umwelt und Klima beeinflussen regionale Muster allergischer Sensibilisierung

Studie in fünf Städten untersucht Wirkung von Umwelt- und Klimabedingungen auf Allergiesensibilisierung
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(Krems/Wien, 11-12-2025) – Allergische Sensibilisierung folgt ausgeprägten regionalen Mustern, die sich mit molekularer IgE-Diagnostik im Detail sichtbar machen lassen. Ein internationales Forschungsteam hat beide Aspekte nun in einer bevölkerungsbasierten Studie mit 1.000 Erwachsenen aus fünf Städten verschiedener Klimazonen in der Türkei aufgezeigt. Mithilfe hochauflösender molekularer Allergiediagnostik identifizierte das Team charakteristische regionale Unterschiede in der Immunreaktion auf Allergene, indem IgE-Reaktivitätsmuster bestimmt wurden. Federführend beteiligt waren Wissenschafter:innen der Karl Landsteiner Privatuniversität (KL Krems) und der Medizinischen Universität Wien, die ein Diagnosetool (Allergen-Microarray) beisteuerten, mit dem sich mehr als 100 definierte Moleküle gleichzeitig identifizieren lassen. Über die konkreten Ergebnisse für die Türkei hinaus zeigt die Studie, wie sich molekulare Allergiediagnostik in bevölkerungsbezogene Kohorten integrieren lässt, um regionale Muster allergischer Sensibilisierung zu charakterisieren und Diagnose, Risikobewertung und Präventionsstrategien besser an die jeweilige Umgebung anzupassen.

Allergische Erkrankungen nehmen weltweit zu, doch ihre Häufigkeit und ihr klinisches Erscheinungsbild unterscheiden sich von Region zu Region – geprägt durch Klima, Vegetation, Luftqualität und Lebensstil. Klassische Allergietests basieren häufig auf Allergenextrakten und lassen offen, welche spezifischen Moleküle die IgE-Antwort einer Person auslösen. Die Molekularallergologie schließt diese Lücke: Durch die Bestimmung der Reaktivität spezifischer Antikörper (Immunglobulin E = IgE) gegen einzelne Allergenkomponenten lassen sich Sensibilisierungsmuster wesentlich feiner abbilden. Die neue Forschungsarbeit setzt diesen Ansatz in einer bevölkerungsbasierten Querschnittsstudie in der Türkei um, einem Land an der Schnittstelle von Europa, Asien und Afrika. Forschende der KL Krems und der Medizinischen Universität Wien entwickelten gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern an türkischen und internationalen Zentren ein Projekt, das untersuchte, wie regionale „Exposome“ – also die Summe aller Umwelteinflüsse – IgE-Reaktionsprofile prägen und wie dieses Wissen eine präzisere allergologische Versorgung unterstützen kann.

Regionale „Fingerabdrücke“ der Sensibilisierung
„Wir sehen sehr unterschiedliche molekulare Sensibilisierungssignaturen, wenn wir die fünf Studienzentren miteinander vergleichen“, sagt Rudolf Valenta von der Medizinischen Universität Wien, der zudem die Wissenschaftliche Arbeitsgruppe Allergologie und Immunologie an der KL Krems leitet und als Senior-Co-Autor an der Studie mitwirkte. „Dies ist die erste umfassende, systematische und prospektive, bevölkerungsbasierte Studie in der Türkei, die ein breites Panel definierter Allergenmoleküle einsetzt. Sie zeigt, wie eng Klima und Umwelt in den IgE-Reaktivitätsmustern abgebildet sind. Solche Informationen sind entscheidend, wenn wir Allergiediagnostik und Allergen-Immuntherapie regional verfeinern wollen.“

Das Team rekrutierte Erwachsene mit und ohne selbst berichtete Allergiesymptome in Istanbul, Ankara, Izmir, Samsun und Kayseri. Alle Teilnehmenden füllten einen standardisierten Symptomfragebogen aus, unterzogen sich Haut-Pricktests auf häufige inhalative Allergene, und ihr Serum wurde mittels Microarrays analysiert. Diese Tests messen die IgE-Bindung an 108 Allergenmoleküle aus Pollen, Milben, Haustieren, Schimmelpilzen und Nahrungsmitteln. Über alle Zentren hinweg war die Sensibilisierung in der Gruppe mit Allergiesymptomen häufiger, die IgE-Spiegel waren dort höher und es wurden mehr unterschiedliche Allergenmoleküle erkannt (komplexeres Sensibilisierungsmuster) als in der asymptomatischen Kontrollgruppe. Auffällig war jedoch, dass zwischen 31 und 55 Prozent der Personen ohne berichtete Allergiesymptome dennoch eine IgE-Sensibilisierung gegenüber mindestens einem Allergenmolekül aufwiesen – ein deutlicher Hinweis darauf, dass labordiagnostisch nachweisbare Sensibilisierung und klinische Erkrankung nicht immer zusammenfallen.

Kayseri sticht heraus
Beim Vergleich der fünf Städte zeigte Kayseri durchgängig die niedrigste Prävalenz symptomatischer Personen, die geringsten Sensibilisierungsraten und den niedrigsten Grad an Polysensibilisierung. Die übergreifenden Muster der Sensibilisierung gegenüber respiratorischen Allergenen unterschieden sich ebenfalls zwischen den Zentren und spiegelten deren unterschiedliche Umwelt- und Klimabedingungen wider. 

„Kayseri – einer Stadt in 800–1.000 Metern Seehöhe mit kontinentalem Klima – erweist sich in unserer Studie als tatsächlich hypoallergene Region“, sagt Huey-Jy Huang vom Center for Molecular Allergology an der KL Krems und Co-Erstautorin der Studie. „Die Kombination aus weniger Symptomen und deutlich reduzierter molekularer Sensibilisierung legt nahe, dass die dortigen Umwelt- und Klimabedingungen die Entwicklung allergischer Sensibilisierung eher begrenzen. Diese Faktoren genauer zu verstehen, könnte neue Perspektiven für die Allergieprävention eröffnen. Genau dieser Frage wollen wir in unseren internationalen Kooperationen an der KL Krems nachgehen.“

Über die Identifikation einer hypoallergenen Höhenlage hinaus zeigt die Studie, wie sich molekulare Allergiediagnostik in populationsbasierten Studien integrieren lässt, um regionale Risikoprofile zu analysieren. Für die KL Krems fügt sich dies direkt in ihren Forschungsfokus auf Felder mit hoher gesundheitspolitischer Relevanz ein. Innerhalb dieses Rahmens fungieren das Center for Molecular Allergology und der Danube Allergy Research Cluster als Knotenpunkte in einem internationalen Netzwerk, das untersucht, wie Umwelt und Klima allergische Erkrankungen prägen. Langfristig könnten derartige IgE-basierte „Sensibilisierungskarten“ Gesundheitswesen und Ärzteschaft helfen, diagnostische Ressourcen stärker auf regional relevante Allergene zu konzentrieren, Immuntherapiestrategien anzupassen und letztlich Umweltkonstellationen zu identifizieren, die das Allergierisiko mindern.

Publikation: Allergy – European Journal of Allergy and Clinical Immunology
Molecular IgE Reactivity Profiling With Micro-Arrayed Allergens Reveals Distinct Interregional Patterns of Sensitization and a Hypoallergenic Region in Türkiye
Kazancioglu A, Huang HJ, Aksakal S, Bulut I, Buzan MR, Chen KW, Cotarcă MD, Dubovets A, Gattinger P, Gulbahar O, Kalyoncu AF, Karaulov A, Kozlov E, Panaitescu C, Schlederer T, Trifonova D, Tulaev M, Turk M, Vrtala S, Weber M, Zbîrcea LE, Sekerel BE, Valenta R. doi:10.1111/all.70145