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Mikroplastik kann bösartige Veränderungen in Lungenzellen auslösen

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(c) 2025 b.asia/Shutterstock

(Wien, 15-07-2025) Obwohl das Atmungssystem eine der Haupteintrittspforten für Mikro- und Nanoplastik (MNPs) aus der Luft in den Körper ist, weiß man bisher wenig über die Auswirkungen der winzigen Partikel auf die Lunge. Forscher:innen der MedUni Wien haben nun erstmals nachgewiesen, dass MNPs bösartige Veränderungen in Lungenzellen auslösen können, die mit der Entstehung von Krebs in Verbindung stehen. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Journal of Hazardous Materials publiziert und unterstreichen einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf zur Reduktion von Plastikmüll.

Im Rahmen der Studie untersuchte das Forschungsteam um Karin Schelch, Balazs Döme und Büsra Ernhofer (alle von der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie und dem Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien), wie Polystyrol-Mikro- und Nanoplastik (PS-MNPs) mit verschiedenen Lungenzelltypen interagieren. Polystyrol ist ein in Gegenständen des Alltags weit verbreiteter Kunststoff, der unter anderem in Lebensmittelverpackungen und Einwegartikeln wie Joghurt- oder Coffee-to-go-Bechern vorkommt. Das überraschende Ergebnis der Forschungen: Gesunde (nicht-maligne) Lungenzellen nehmen besonders kleine Partikel (0,00025 Millimeter) von PS-MNPs deutlich stärker auf als bereits bösartige Krebszellen – und reagieren mit biologischen Veränderungen, die einmal mehr die Gefahr durch MNP für die Gesundheit verdeutlichen.

Konkret kam es in den gesunden Zellen nach Kontakt mit den Partikeln zu verstärkter Zellmigration, zu DNA-Schäden, oxidativem Stress sowie zur Aktivierung von Signalwegen, die das Zellwachstum und -überleben fördern – alles Prozesse, die als frühe Hinweise für die Entstehung von Krebs gesehen werden. „Auffällig waren vor allem die reduzierte Fähigkeit der gesunden Zellen, DNA-Schäden zu reparieren, und die gleichzeitige Aktivierung bestimmter Signalwege, die normalerweise das Zellwachstum begünstigen“, berichtet Studienleiterin Karin Schelch über Details.

Langfristige Auswirkungen weiterhin ungeklärt
Während bösartige Lungenzellen unter denselben Bedingungen vergleichsweise unbeeinträchtigt blieben, könnte bei gesunden Lungenzellen schon eine kurzfristige MNP-Exposition ausreichen, um sie in eine Richtung zu beeinflussen, die mit malignen Veränderungen assoziiert ist. Auch Abwehrmechanismen der Zellen wurden den aktuellen Forschungsergebnissen nach unter dem Einfluss von Polystyrol-Partikeln angestoßen. „Wir konnten eine Aktivierung von antioxidativen Schutzsystemen beobachten – ein Hinweis darauf, dass sich die Zellen aktiv gegen den Stress durch Plastikpartikel zur Wehr setzen“, erläutert Erstautorin Büsra Ernhofer.

Die Lunge gilt als einer der Hauptaufnahmewege für luftgetragenes Mikroplastik. Bislang war jedoch kaum bekannt, wie diese Partikel mit Zellen des Lungengewebes interagieren. „Die nun vorliegenden Daten liefern erste Hinweise darauf, dass insbesondere gesunde Lungenzellen in einer Weise reagieren, die Anlass zur Sorge gibt“, sagt Co-Studienleiter Balazs Döme. Dies eröffnet neue Fragestellungen zur möglichen Verbindung zwischen Plastikbelastung, chronischen Lungenerkrankungen und Krebsentstehung – und unterstreicht sowohl die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung im Spannungsfeld zwischen Umweltmedizin und Krebsbiologie als auch den Handlungsbedarf zur Reduzierung von Plastikmüll. Zudem bleiben die langfristigen Auswirkungen der MNP-Belastung auf die Lunge weiterhin ungeklärt und müssen, so das Forschungsteam, dringend untersucht werden.

Publication: Journal of Hazardous Materials
Small Particles, Big Problems: Polystyrene nanoparticles induce DNA damage, oxidative stress, migration, and mitogenic pathways predominantly in non-malignant lung cells.
Büsra Ernhofer, Andreas Spittler, Franziska Ferk, Miroslav Mišík, Martha Magdalena Zylka, Lisa Glatt, Kristiina Boettiger, Anna Solta, Dominik Kirchhofer, Gerald Timelthaler, Zsolt Megyesfalvi, Verena Kopatz, Heinrich Kovar, Siegfried Knasmueller, Clemens Aigner, Lukas Kenner, Balazs Döme, Karin Schelch.
DOI: 10.1016/j.jhazmat.2025.139129