
(Wien, 06-06-2025) – Eine neue Untersuchung der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass viele medizinische Labors in Österreich keine altersangepassten Referenzbereiche für Kinder verwenden. Dies kann dazu führen, dass krankhafte Blutwerte bei Kindern als unauffällig gelten – mit möglichen Folgen für die rechtzeitige Erkennung seltener Erkrankungen.
Im Rahmen der Studie der MedUni Wien wurden zwei seltene genetische Knochenerkrankungen exemplarisch untersucht: die X-chromosomale Hypophosphatämie (XLH) und die Hypophosphatasie (HPP). Beide Erkrankungen lassen sich anhand bestimmter Laborwerte erkennen – bei XLH ist der Phosphatwert im Blut erniedrigt, bei HPP die Aktivität der alkalischen Phosphatase. Da sich diese Werte im Kindesalter deutlich von jenen Erwachsener unterscheiden, ist die Verwendung altersgerechter Normbereiche für eine korrekte Interpretation entscheidend.
Die Forschenden versandten eine standardisierte Blutprobe mit für ein vierjähriges Kind krankhaften Werten an 26 niedergelassene Labors in Österreich. Obwohl die Mess-Ergebnisse technisch korrekt waren, deuteten viele Labors die Werte als für im Kindesalter normal. Nur 18 % der Labors nutzten geeignete Referenzbereiche für Phosphat, 41 % für die alkalische Phosphatase. In mehr als der Hälfte der Fälle blieb die krankhafte Veränderung unbemerkt.
Studienleiter Adalbert Raimann von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien und dem Vienna Bone and Growth Center (einem Zusammenschluss mehrerer Kliniken, die sich mit seltenen Knochenerkrankungen befassen) erklärt: „Ein Grund für dieses Ergebnis ist das Fehlen gesetzlicher Vorgaben: In Österreich – wie auch in vielen anderen europäischen Ländern – besteht für Labors noch immer keine Verpflichtung, altersbezogene Referenzwerte zu verwenden oder transparent anzugeben.“
Die Studienautor:innen empfehlen, nationale und internationale Richtlinien für pädiatrische Referenzbereiche zu entwickeln und deren Anwendung an Qualitätsstandards zu knüpfen. Bis dahin könnte eine öffentliche Auflistung von Laboren mit kindgerechten Normwerten Transparenz schaffen, um Kindern und Jugendlichen eine altersentsprechende Labordiagnostik und schnelle Diagnosestellung zu ermöglichen.
Publikation: Wiener Klinische Wochenschrift
Inadequate pediatric reference ranges impede the diagnosis of X-linked hypophosphatemia and hypophosphatasia in Austria
Jojo Steininger, Magdalena Jablonska, Susanne Sagmeister, Gabriel Mindler, Adalbert Raimann
Wien. Klin. Wochenschr. 2025 May 19. DOI: 10.1007/s00508-025-02546-2
https://link.springer.com/article/10.1007/s00508-025-02546-2