
(Wien, 11-08-2025) Die Abwehr von Krankheitserregern ist ein Kraftakt für den Körper, der mit hoher Präzision und Geschwindigkeit erfolgen muss. Ein Forschungsteam von MedUni Wien und CeMM hat unter der Leitung von Christoph Bock und Matthias Farlik untersucht, wie Immunzellen diese Aufgabe meistern. Ihre im Fachjournal Cell Systems veröffentlichte Studie liefert eine Analyse der molekularen Prozesse in den „Fresszellen“ (Makrophagen) unseres Immunsystems, während sie verschiedene Krankheitserreger bekämpfen. Die Forscher:innen entwickelten dafür eine neue Methode, um mit Hilfe der CRISPR-Genschere und maschinellem Lernen die Regulatoren der Immunantwort in Makrophagen zu identifizieren.
Makrophagen (griechisch für „große Fresser“) tragen ihren Namen nicht zufällig: Eindringende Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren werden von ihnen erkannt, verschlungen und in ihre biochemischen Bausteine zerlegt. Außerdem senden sie biochemische Signale, um weitere Immunzellen zu rekrutieren, lösen Entzündungen aus und präsentieren Bruchstücke verdauter Krankheitserreger auf ihrer Oberfläche, damit das adaptive Immunsystem eine langfristige Immunität entwickeln kann.
Wenn Makrophagen einem Krankheitserreger begegnen, stehen sie unter enormem Druck: Reagieren sie zu spät oder nicht entschieden genug, kann eine Infektion tödlich verlaufen. Eine überschießende Immunreaktion ist jedoch ebenso schädlich für den Körper. Innerhalb kürzester Zeit muss also eine passgenaue Immunantwort gestartet werden: Biochemische Signal-Kaskaden werden angestoßen, Tausende Gene aktiviert und ein Arsenal an Substanzen produziert – jeweils abgestimmt auf den spezifischen Erreger.
Regulationsnetzwerk entschlüsselt
Um zu verstehen, wie Makrophagen diese Vielzahl an Aufgaben koordinieren, setzten das Team um Christoph Bock (Institut für Artificial Intelligence der MedUni Wien und CeMM) und Matthias Farlik (Universitätsklinik für Dermatologie der MedUni Wien und CeMM) Makrophagen von Mäusen unterschiedlichen Immunreizen aus, die bakterielle oder virale Infektionen nachahmen. Sie verfolgten die zellulären Veränderungen, indem sie alle paar Stunden die Genaktivität und die Zugänglichkeit der DNA erfassten – und so einen molekularen Zeitplan fanden, nach dem sich die regulatorischen Programme entfalten.
Anschließend identifizierte das Team regulatorische Proteine, die diese Programme steuern: Mithilfe der „Genschere“ CRISPR schalteten sie Hunderte von Genen aus und analysierten die Auswirkungen jeder dieser sogenannten „Knockouts“ auf einzelne Zellen, indem sie deren aktive Gene bestimmten. Diese innovative Methode enthüllte ein Netzwerk aus mehreren Dutzend Regulatoren, die gemeinsam eine jeweils passende Immunantwort auslösen. Zu diesen Regulatoren zählen bekannte Signalwege wie JAK-STAT, aber auch RNA-Splicing-Proteine und Chromatin-Regulatoren, deren Rolle in der Immunregulation bislang wenig verstanden ist.
„Es ist beeindruckend, wie viel Komplexität in diesem uralten Teil unseres Immunsystems steckt, den wir mit Schwämmen, Quallen und Korallen teilen“, sagt Studienleiter Christoph Bock. „Dank der Fortschritte in der CRISPR- Technologie konnten wir die zugrunde liegenden regulatorischen Programme jetzt systematisch untersuchen.“
Publikation: Cell Systems
Integrated time-series analysis and high-content CRISPR screening delineate the dynamics of macrophage immune regulation
Peter Traxler*, Stephan Reichl*, Lukas Folkman, Lisa Shaw, Victoria Fife, Amelie Nemc, Djurdja Pasajlic, Anna Kusienicka, Daniele Barreca, Nikolaus Fortelny, André F. Rendeiro, Florian Halbritter, Wolfgang Weninger, Thomas Decker, Matthias Farlik#, Christoph Bock# (* geteilte Erstautorenschaft /# geteilte Projektleitung)
DOI: 10.1016/j.cels.2025.101346