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Clemens Spielvogel, PhD und David Haberl, PhD

MedUni Wien RESEARCHER OF THE MONTH, August 2025
Die Jury „Researcher of the Month” verleiht die Auszeichnung für diesen Monat Herrn Dr. Clemens Spielvogel und Herrn Dr. David Haberl aus Anlass der im Top-Journal „The Lancet Digital Health“ (IF 23.8) erschienenen Arbeit „Diagnosis and prognosis of abnormal cardiac scintigraphy uptake suggestive of cardiac amyloidosis using artificial intelligence: a retrospective, international, multicentre, cross-tracer development and validation study“[1]. Die multidisziplinäre Studie entstand im Rahmen einer Kooperation der beiden Erstauthoren von der Klinischen Abteilung für Nuklearmedizin (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin) und Herrn Dr. Christian Nitsche von der Klinischen Abteilung für Kardiologie (Universitätsklinik für Interne Medizin II).
Erkennung von kardialer Amyloidose mittels künstlicher Intelligenz
Kardiale Amyloidose ist eine seltene und progressive Erkrankung, bei der sich feilgehaltene Proteine (Amyloide) im Herzmuskel ansammeln [2]. Diese Ablagerungen schädigen das Herz und können zu Herzversagen führen. Wenn die Krankheit nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, steigt das Risiko schwerwiegender Folgen - bis hin zum Tod. Da die Symptome oft unspezifisch sind und erst spät auftreten, bleibt die Erkrankung häufig lange unbemerkt.
In einer Studie aus der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet Digital Health“ stellen Clemens Spielvogel, David Haberl et al. ein neues künstlicher Intelligenz (KI)-System vor[1]. Dieses System nutzt Algorithmen aus dem maschinellen Lernen, um kardiale Amyloidose zuverlässig auf nuklearmedizinischen Bilddaten zu erkennen.
Das KI-System wurde mit Daten von mehr als 16.000 Patient:innen trainiert und evaluiert. Diese Patient:innen wurden zwischen 2010 und 2020 in neun verschiedenen medizinischen Einrichtungen in Europa und Asien untersucht - darunter auch das Allgemeine Krankenhaus (AKH) Wien. Die Untersuchungen erfolgten mit der sogenannten Szintigrafie. Diese nuklearmedizinische Bildgebung nutzt radioaktiv markierte Moleküle zur Diagnose und Charakterisierung von zahlreichen Erkrankungen wie Krebs, degenerativen Knochenerkrankungen, Autoimmunerkrankungen und orthopädischen Problemen, aber auch von kardialer Amyloidose [3].
Das KI-System kann anhand dieser Szintigrafiebilder automatisch erkennen, ob eine kardiale Amyloidose vorliegt. Die Einschätzung des KI-Systems kann als zusätzliches Sicherheitsnetz dienen, welches Ärzte auf das potentielle Vorhandensein einer kardialen Amyloidose aufmerksam macht. Das ist besonders wichtig, weil die Erkrankung aufgrund ihrer Seltenheit und aufgrund der hohen Variabilität bei der visuellen Befundung übersehen werden kann. Zudem kann durch frühzeitige Erkennung und Behandlung das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt oder sogar gestoppt werden [4,5].
Die Studie zeigte, dass das KI-System mindestens genauso zuverlässig ist wie erfahrene Ärzt:innen alleine. Die Studie untersuchte zudem, ob die Diagnose der KI mit dem Risiko für Herzversagen und Tod zusammenhängt. Die Ergebnisse waren eindeutig: Patient:innen, bei denen die KI eine kardiale Amyloidose feststellte, hatten ein doppelt so hohes Sterberisiko und ein mehr als 17-mal höheres Risiko für Herzversagen als Patient:innen, bei denen das KI-System nicht ausschlug.
Kardiale Amyloidose wird derzeit oft erst spät erkannt. Doch seit 2020 gibt es in der Europäischen Union neue Medikamente, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder stoppen können [4]. Da bereits entstandene Proteinablagerungen mit momentan verfügbaren Medikamenten nicht entfernt werden können, ist eine frühzeitige Diagnose besonders wichtig.
Mit der neuen KI-Technologie könnten künftig alle Patient:innen, die eine Szintigrafie erhalten, gleichzeitig auf kardiale Amyloidose untersucht werden. Das würde die Erkennung der Krankheit verbessern und vielen Betroffenen helfen, rechtzeitig die richtige Therapie zu erhalten.
Wissenschaftliches Umfeld
Clemens Spielvogel und David Haberl arbeiten mit zahlreichen internationalen Gruppen und Institutionen zusammen. Zu den Kollaborationspartnern, welche auch an der ausgezeichneten Studie beteiligt sind, gehören das Institute of Cardiovascular Science am University College London (Prof. Thomas Treibel), die Abteilung für Nuklearmedizin an der Central South University, Changsha, China (Prof. Min Zhao und Prof. Xiaowei Ma), die Abteilung für experimentelle und klinische biomedizinische Wissenschaften an der Universität Florenz (Prof. Robert Sciagra) und das ASST Spedali Civili di Brescia an der Universität Brescia (Prof. Domenico Albano). Weitere nennenswerte Kooperationen bestehen mit dem Champalimaud Clinical Centre in Lissabon (Prof. Durval Costa), der Abteilung für Pharmazeutische Chemie an der Universität Wien (Prof.in Verena Pichler) und der Klinik für Nuklearmedizin an der Universitätsklinik Essen (Prof. Ken Herrmann). Die Erstautoren haben im Zuge ihrer wissenschaftlichen Karrieren Auszeichnungen der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin, der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie, der Medizinischen Universität Wien, sowie den Dora-Brücke Teleky Award und den Young Investigator Award der Society of Nuclear Medicine and Molecular Imaging erhalten.
Zu den Personen
Clemens Spielvogel ist seit September 2023 PostDoc in der Gruppe für Computational Nuclear Medicine an der klinischen Abteilung für Nuklearmedizin. Er studierte von 2013 bis 2016 Biomedizin und Biotechnologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, gefolgt von einem Abschluss im Studienprogramm Bioinformatik an der FH Campus Wien. Seit 2019 ist er an der Medizinischen Universität, wo er 2023 sein wissenschaftliches Doktoratsstudium im Bereich der computergestützten medizinischen Bildgebung mit Auszeichnung abschloss. Zudem absolvierte er Teile seiner Ausbildung an der Universität Wien, der Technischen Universität Wien und der Stanford University.
David Haberl ist seit März 2025 PostDoc in der Gruppe für Computational Nuclear Medicine an der klinischen Abteilung für Nuklearmedizin. Er absolvierte zwischen 2013 und 2021 das Bachelor- und Masterprogramm Technische Physik an der Technischen Universität Wien. Unter anderen absolvierte er Teile seines Doktoratsstudiums im Christian Doppler Labor für Angewandte Metabolomik und am Institute Curie der Université Paris-Saclay.
Ausgewählte Literatur
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Spielvogel CP, Haberl D, Mascherbauer K, Ning J, Kluge K, Traub-Weidinger T, et al. Diagnosis and prognosis of abnormal cardiac scintigraphy uptake suggestive of cardiac amyloidosis using artificial intelligence: a retrospective, international, multicentre, cross-tracer development and validation study. Lancet Digit Health. 2024;6:e251–60.
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Ruberg FL, Maurer MS. Cardiac amyloidosis due to transthyretin protein: A review: A review. JAMA. 2024;331:778–91.
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Rauf MU, Hawkins PN, Cappelli F, Perfetto F, Zampieri M, Argiro A, et al. Tc-99m labelled bone scintigraphy in suspected cardiac amyloidosis. Eur Heart J. 2023;44:2187–98.
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Maurer MS, Schwartz JH, Gundapaneni B, Elliott PM, Merlini G, Waddington-Cruz M, et al. Tafamidis Treatment for Patients with Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy. N Engl J Med. 2018;379:1007–16.
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Elliott P, Gundapaneni B, Sultan MB, Ines M, Garcia-Pavia P. Improved long-term survival with tafamidis treatment in patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy and severe heart failure symptoms. Eur J Heart Fail. 2023;25:2060–4.