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Einzelzell-Sequenzierung von Granulomen eröffnet neue Therapieansätze für Sarkoidose

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(c) Laura Alvarez, CeMM
Die Studienautor:innen Georg Stary, Anna Redl, Thomas Krausgruber und Christoph Bock

(Wien, 06-02-2023) Sarkoidose nennt sich eine entzündliche Sys-
temerkrankung, die durch eine überschießende Immunreaktion und Ansammlungen von Immunzellen im Gewebe – sogenannte Granulome – gekennzeichnet ist. Erstmals gelang es nun Wissenschafter:innen am CeMM, der Medizinischen Universität Wien und dem Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases, Granulome in der Haut detailgenau zu charakterisieren. Die Ergebnisse bringen zahlreiche Erkenntnisse über Zusammensetzung, Aufbau und Signalwege des Granuloms, die Hinweise für neue Therapieansätze liefern. Die Studie wurde im Fachjournal Immunity veröffentlicht.

Granulomatöse Erkrankungen wie die Sarkoidose stellen Ärzt:innen und Forscher:innen vor große Herausforderungen. Dabei handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung mit einer überschießenden Immunreaktion, deren Auslöser unbekannt ist. Es bilden sich sogenannte Granulome, knötchenförmige Zellansammlungen, die am häufigsten in der Lunge auftreten, direkt gefolgt von der Haut. Auch jedes andere Organ kann betroffen sein. Von 100.000 Menschen erkranken weltweit je nach Region zwischen 1 und 35,5 Menschen an Sarkoidose.  Bei 50% der Betroffenen kommt es innerhalb von 2 Jahren zu einer spontanen Rückbildung, bei zirka 20% zu einem chronischen Verlauf.

„Die Sarkoidose der Haut kann in sehr unterschiedlichen Farben und Formen auftreten. In der Haut sehen wir Granulome beispielsweise als juckende Knoten im Bereich alter Tattoos oder Narben, nach Eingriffen mit Fillern, oder als violette Verfärbung an der Nasenspitze und Wangen, auch als Lupus Pernio bekannt. Gerade im Gesicht können sie einen enormen Leidensdruck bedeu-ten", so Co-Studienautorin Anna Redl, PhD-Studentin bei Projektleiter Georg Stary, Assoziierter Professor an der MedUni Wien sowie CeMM Adjunct Principal Investigator. Dieser ergänzt: „Gesundheitlich problematisch wird es vor allem dann, wenn Granulome sich im Körper ausbreiten, in Organen entstehen und dort Probleme verursachen, die bis zu einem Versagen des betreffenden Organs führen können."

Gemeinsam mit der Forschungsgruppe von CeMM Principal Investigator Christoph Bock, auch MedUni Wien-Professor und Co-Studienleiter, gelang es mittels Einzelzell-Sequenzierung und Methoden zur räumlichen Analyse von Gewebeproben, erstmals ein detailliertes Bild von Aufbau, Struktur und Bestandteilen von Granulomen zu erstellen.

Aufbau: Makrophagen, T-Zellen, Fibroblasten
Christoph Bock erklärt: „In Granulomen finden wir diverse Bausteine unseres Immunsystems, die allerdings durcheinandergeraten sind. Die Zellen kommunizieren miteinander, aber sie verstehen sich nicht mehr – die Signalwege funktionieren nicht. So entstehen die Granulome. Immer mehr Zellen sammeln sich an, aktivieren sich gegenseitig und führen zu einer Entzündung, für die es keinen sinnvollen biologischen Grund gibt."

Für ihre Studie analysierten die Erstautoren Thomas Krausgruber und Daniele Barreca, Wissenschaftler in Bocks Forschungsgruppe, gemeinsam mit Anna Redl die Gewebeproben von 12 Patient:innen mit Sarkoidose und verglichen dabei die Granulome mit gesund erscheinender Haut. Mittels Einzelzell-Sequenzierung konnten die Wissenschaftler:innen die Details der Granulome charakterisieren. Thomas Krausgruber erklärt: „Wir sehen, dass Granulome hauptsächlich aus Makrophagen bestehen, Fresszellen, die im menschlichen Körper vorwiegend zur Abwehr von unerwünschten Viren, Bakterien und Toxinen dienen. Zudem finden sich T-Zellen, besonders häufig des Subtyps Th1 und Th17, die im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen stehen. Rund um die Makrophagen und T-Zellen sehen wir Fibroblasten. Sie spielen eine wichtige Rolle beim Umbau von Bindegewebe und geben dem Granulom seine Form."

Georg Stary ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass die Fibroblasten rundherum Kollagen umbauen, damit das Granulom wachsen kann, aber gleichzeitig in-nerhalb dieser Struktur festsitzen." Generell zeigt die Studie, dass die Granulome der Haut ein sehr ähnliches Bild wie auch in anderen Körperregionen, beispielsweise der Lunge, aufweisen. Daher kann deren Charakterisierung in der Haut auch Anhaltspunkte für die Behandlung der Sarkoidose in anderen Organen bzw. andere Granulom-assoziierte Erkrankungen liefern.

Gewebsenzym als Ziel für potenziellen neuen Therapieansatz
Einen wichtigen Hinweis liefert das Protein MMP12, das vor allem beim Umbau von Gewebe von Bedeutung ist. Dieses erwies sich in Makrophagen stärker exprimiert als gewöhnlich, Thomas Krausgruber erklärt: „Dieses Enzym scheint für die Formierung von Granulomen eine bedeutende Rolle zu spielen. Erste in-vivo Versuche am Mausmodell haben bereits gezeigt, dass ein Inhibieren von MMP12 Schwellungen zurückgehen lässt. Dies sehen wir als wichtigen Ansatzpunkt für die Entwicklung neuer Therapien, aber auch andere Ergebnisse unserer Analysen zeigen Potenzial für eine klinische Testung."

Einfach entfernen lassen sich Granulome im Körper nicht, da sie verstreut auftreten. Derzeit werden Sarkoidose-Patient:innen mit Cortisonpräparaten wie systematische Gukokortikoide behandelt, die über einen langen Zeitraum und in hoher Dosierung gegeben werden müssen, auch die Rückfallrate ist hoch. Neue, zielgerichtete Therapien, auch auf Basis der neuen Erkenntnisse dieser Studie, sollen hier Verbesserung schaffen.

Publikation: Immunology
Single-cell and spatial transcriptomics identify aberrant developmental programs driving granuloma formation
Thomas Krausgruber, Anna Redl, Daniele Barreca, Konstantin Doberer, Daria Romanovskaia, Lina Dobnikar, Maria Guarini, Luisa Unterluggauer, Lisa Kleissl, Denise Atzmüller, Carolina Mayerhofer, Aglaja Kopf, Simona Saluzzo, Clarice X. Lim, Praveen Rexie, Thomas Weichhart, Christoph Bock, Georg Stary;
doi: 10.1016/j.immuni.2023.01.014