(Wien, 29-11-2024) In einer an der MedUni Wien durchgeführten Screening-Studie konnte gezeigt werden, dass die seltene, jedoch gefährliche Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus oft unerkannt bleibt. Die lückenlose Testung am Universitätsklinikum AKH Wien auf das Vorliegen einer Hepatitis-D-Infektion erhöht die Diagnoserate dieser heute gut behandelbaren Erkrankung. Die Ergebnisse des Projekts wurden nun im Top-Journal „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Schätzungen zufolge sind mehr als 40.000 Menschen in Österreich chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. Bei circa einem Prozent der österreichischen Betroffenen liegt eine sogenannte Koinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus vor, die als aggressivste Form der chronischen Virushepatitis gilt. Aufgrund mangelnder Testung bleibt die heute gut behandelbare Erkrankung jedoch häufig unerkannt. Ein Team der MedUni Wien führte dazu eine groß angelegte Screening-Untersuchung auf Hepatitis D in 560 Hepatitis-B-Patient:innen am Universitätsklinikum AKH Wien durch. Die Ergebnisse dieser Studie, federführend von Johannes Bernhard und Michael Schwarz (beide von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der MedUni Wien) durchgeführt, wurde nun in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht.
Hepatitis B – denk sofort an D
Patient:innen, die keine klassischen Risikofaktoren aufweisen, werden oft nie bzw. erst spät in ihrem Leben auf das Vorliegen einer Ko-Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus getestet. Bei manchen Hepatitis-B-Patient:innen bleibt die Erkrankung somit häufig lange unerkannt. „Vor allem für Patientinnen und Patienten mit rasch fortschreitenden Verläufen kann das schwerwiegende Folgen haben, die durch eine frühzeitige Diagnose und rasche Etablierung einer antiviralen Therapie oft verhindert werden können“, sagt Mathias Jachs, koordinierender Letztautor der nun veröffentlichten Studie.
In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei Schwerpunktspitälern wie dem Universitätsklinikum AKH Wien bei bis zu 6 Prozent der Hepatitis-B-Fälle eine Ko-Infektion mit dem Hepatitis-D-Virus vorliegt. Bei in den Spezialambulanzen der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie in Betreuung stehenden Hepatitis-B-Patient:innen betrug die Rate der Hepatitis-D-Koinfektionen sogar fast 10 Prozent. Einige der Patient:innen wiesen keine der etablierten Risikofaktoren für Hepatitis D auf und wären somit selbst bei lückenloser Testung anhand etablierter Kriterien unerkannt geblieben. Die lückenlöse Testung aller mit Hepatitis B infizierten Personen trug somit maßgeblich zur Erhöhung der Detektionsrate bei. „Viele der Patientinnen und Patienten hatten bereits eine fortgeschrittene Lebererkrankung. Durch gut verträgliche und hoch wirksame Therapien kann bei diesen Patient:innen das Fortschreiten der Erkrankung und somit das Auftreten von schwerwiegenden Komplikationen vermieden werden“, freut sich Mathias Jachs über das positive Ergebnis der in der Studie untersuchten Strategie der „Reflextestung“.
Reflextestung als Vorbild
Eine im verarbeitenden Labor automatisierte Reflextestung auf das Hepatitis-D-Virus bei erstmals am Zentrum vorstelligen Patient:innen mit chronischer Hepatitis B ist aufgrund der Seltenheit beider Erkrankungen mit geringem Personal- und Kostenaufwand verbunden. „Die Reflextestung sollte als vergleichsweise simple Maßnahme somit österreichweit möglichst flächendeckend erfolgen. Am Universitätsklinikum AKH Wien ist dieses Verfahren mittlerweile gut etabliert und unterstreicht unseren hohen Qualitätsstandard in der Versorgung von Patient:innen mit chronischen Virushepatitis-Infektionen“, zieht Letztautor Thomas Reiberger und Leiter der Spezialambulanz für virale Lebererkrankungen am Universitätsklinikum AKH Wien eine positive Bilanz. „Wir hoffen sehr, dass unser Ansatz auch an anderen Kliniken in Österreich Anklang findet und damit zur Verbesserung der Diagnose- und somit Behandlungsraten der – in Österreich seltenen – Hepatitis-D-Erkrankung beiträgt“, so die genannten Studienautor:innen im Einklang.
Publikation: Scientific Reports
Reflex testing for anti-HDV in HBsAg-positive patients offers high diagnostic yield in a large Central European tertiary care center.
Bernhard J, Schwarz M, Balcar L, Hofer B, Dominik N, Strassl R, Aberle S, Munda P, Mandorfer M, Trauner M, Reiberger T, Jachs M. DOI: 10.1038/s41598-024-77737-4.