(Wien, 04-12-2025) Pandemien stellen seit Jahrzehnten eine enorme globale Herausforderung dar. Das neue an der MedUni Wien angesiedelte Ludwig Boltzmann Institut für Wissenschaftsvermittlung und Pandemievorsorge (Science Outreach and Pandemic Preparedness – kurz: LBI SOAP) der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) vereint nun unterschiedliche Ansätze, um die Gesellschaft für kommende Pandemien zu rüsten und diese bestenfalls gänzlich zu verhindern. Wie dies künftig aussehen kann, wurde gestern im Rahmen eines Pressegesprächs gemeinsam mit Bundesministerin Eva-Maria Holzleitner, der Wiener Stadträtin Veronica Kaup-Hasler, LBG-Präsidentin Freyja-Maria Smolle-Jüttner, Vizerektorin der MedUni Wien Michaela Fritz und Institutsleiter Florian Krammer im Wiener Josephinum vorgestellt.
„Wissenschaft soll für alle verständlich, zugänglich und nutzbar sein. Das LBI SOAP zeigt, wie Forschung ganz konkret in unserem Alltag wirkt und uns unterstützt. Verlässliche Informationen sind die Basis einer starken Demokratie und deshalb stärken wir nicht nur die Forschung selbst, sondern auch das Vertrauen in sie. Denn nur wenn Wissenschaft und Gesellschaft zusammenarbeiten, können wir das Gesundheitsniveau erhöhen und unsere Demokratie stark halten“, so Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung.
Freyja-Maria Smolle-Jüttner, LBG-Präsidentin ergänzt: „Mit dem LBI SOAP wollen wir Wissenschaft dorthin bringen, wo sie gebraucht wird: mitten in die Gesellschaft. Wir verbinden Spitzenforschung mit aktiver Bürgerbeteiligung und schaffen damit ein Modell, das weit über die Landesgrenzen hinausstrahlt. Dieses Institut zeigt, wie Forschung gesellschaftliche Resilienz stärken und Vertrauen in Wissenschaft nachhaltig fördern kann.“
„Mit dem neuen Standort des Ludwig Boltzmann Institute for Science Outreach and Pandemic Preparedness setzen wir ein starkes Zeichen für eine Wissenschaft, die Menschen einbezieht und verständlich bleibt. Dass dieses Institut von dem international renommierten Virologen Florian Krammer geleitet wird, zeigt, welches Vertrauen Wien in exzellente Forschung setzt. Die Stadt unterstützt dieses Vorhaben, weil offene und gut erklärte Wissenschaft unser bestes Werkzeug ist, um gemeinsam auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet zu sein“, sagt Veronica Kaup-Hasler, Wiener Stadträtin für Kultur und Wissenschaft.
„Das LBI SOAP arbeitet interdisziplinär und international sowie regional bestens vernetzt. Damit sind im neuen Institut verschiedenste Kompetenzen und Expertisen gebündelt, um exzellente Forschung, partizipative Citizen Science und gezielte Kommunikation in der Pandemievorsorge, in der Gesundheitsbildung oder in der Beratung politischer Entscheidungsträger sicherzustellen. Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse transparent und verständlich kommuniziert werden, können sie ihre gesellschaftliche Wirkung entfalten und Begeisterung für Forschung entfachen“, so Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation der Medizinischen Universität Wien.
Wissenschaftliche Exzellenz trifft gesellschaftliche Partizipation
Das LBI SOAP startete im Juli 2025 seine Forschung und verfolgt mehrere Herangehensweisen in vier eng verzahnten Forschungsprojekten: Viren-Überwachung, Viren-Charakterisierung sowie Community Science und Wissenschaftsvermittlung und wissenschaftliche Bildung.
Ein zentraler Schwerpunkt des neuen Instituts liegt dabei auf der Frage, wie Forschungsergebnisse so aufbereitet werden können, dass sie für politische Entscheidungsträger:innen, Medien und die breite Bevölkerung verständlich, zugänglich und relevant werden. Gleichzeitig werden Formate entwickelt, die eine stärkere Beteiligung der Gesellschaft ermöglichen, etwa durch Community-Science-Projekte oder partizipative Ansätze in Gesundheitsfragen. Darüber hinaus leistet das LBI SOAP durch internationale Forschung, die Analyse globaler Gesundheitsentwicklungen und den Aufbau neuer Kommunikationswerkzeuge einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Stärkung der Pandemievorsorge.
Die nächste Pandemie kommt: Nicht eine Frage, ob, sondern wann
Alleine in den letzten rund hundert Jahren gab es weltweit vier Influenza-Pandemien, mehrere verheerende Ausbrüche von Cholera und Ebola, die anhaltende HIV/AIDS-Pandemie und die COVID-19-Pandemie. Sie forderten zig Millionen Menschenleben. Viele dieser Infektionskrankheiten wurden ursprünglich von Tieren auf Menschen übertragen. „Wir hatten sechs Pandemien in den letzten etwa hundert Jahren und es ist nur eine Frage der Zeit, wann es wieder zu einer Pandemie kommt“, betont Florian Krammer, Virologe der MedUni Wien und Leiter des neuen LBI SOAP. „Gesellschaften können sich jedoch auf solche Ausbrüche gut vorbereiten und auch versuchen, manche davon zu verhindern. Genau daran arbeiten wir am LBI SOAP.“
Pandemieprävention und Pandemievorsorge zielen darauf ab, Krankheitsausbrüche frühzeitig zu erkennen und ihre Ausbreitung wirksam zu verhindern. Bei den Projekten Viren-Überwachung und Viren-Charakterisierung spielt dabei die Forschung zu Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können, eine wesentliche Rolle. In frühen Projekten des Instituts werden im städtischen Raum Krankheitserreger mit zoonotischem Potenzial aufgespürt, ihre Häufigkeit ermittelt und ihre Eigenschaften untersucht. Das betrifft beispielsweise Viren, die über Tiere wie Ratten, Vögel oder Stechmücken auf Menschen übertragbar sind. Die gewonnenen Daten dienen der frühzeitigen Identifikation möglicher Gesundheitsrisiken. Darauf aufbauend können Maßnahmen entwickelt werden, die von gezielten Informationskampagnen für Risikogruppen über Empfehlungen zu Verhaltensänderungen bis hin zur Entwicklung neuer Impfstoffe und Therapien reichen können.
Bevölkerung einbinden und für Wissenschaft begeistern
Genau hier kommt die andere Stoßrichtung des LBI SOAP ins Spiel: Community Science sowie Wissenschaftsvermittlung und wissenschaftliche Bildung. Ziel ist es, die Bevölkerung von Beginn an aktiv in die Erforschung von Krankheitserregern und die damit verbundene Wissenschaftskommunikation einzubeziehen. Das Institut setzt dabei auf Partizipation und Community Science sowie die enge Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen. Community Science bindet Menschen außerhalb des klassischen Forschungsbetriebs aktiv ein und ermöglicht es, Forschung mitzugestalten. Das LBI SOAP verankert diesen Ansatz strukturell in seiner Arbeit und integriert Community Science als grundlegendes Prinzip seiner Forschung.
So gibt es bspw. einen mobilen Laborkoffer, der bereits in New York im Einsatz war. Mithilfe des Koffers können selbst Umweltproben entnommen und erste Analysen durchgeführt werden. Im Big Apple wurde im Rahmen dieser Maßnahme mit Schulklassen im Central Park Proben von Vogelkot gesammelt. Anschließend wurde gemeinsam die Nukleinsäure extrahiert und geprüft, welche Viren die Tiere in sich tragen. „Wenn wir bereits junge Menschen in echte Forschung einbinden, springt der Funke über – zu ihren Familien, ihren Schulen und am Ende zu ganzen Gemeinschaften und plötzlich begeistert sich eine ganze Community für Wissenschaft, die vorher keinen Zugang hatte. Das wollen wir auch in Österreich“, erklärt Institutsleiter Krammer.
Das LBI-Modell: Freiräume für herausragende Forschung
Die Arbeit in den Ludwig Boltzmann Instituten erfolgt in einer Partnerschaft zwischen forschungs- und anwendungsorientierten Organisationen. Das Budget beträgt maximal 1,5 Millionen Euro pro Jahr, welches zu 80 Prozent von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und zu 20 Prozent von den Partnerorganisationen finanziert wird. Die Institute werden innerhalb einer Host-Institution eingerichtet und von der LBG verwaltet. Die Laufzeit ist auf sieben Jahre angelegt, mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere drei Jahre.
Das LBI-SOAP ist an der Medizinischen Universität Wien angesiedelt und wird Projekte in Kollaboration mit zwei Partnerorganisationen durchführen: mit der Stadt Wien und der Gesundheit Österreich GmbH sowie den vier geplanten Netzwerkpartnern AGES, Citizen Science Network Austria, Open Science und der Universität Wien. Weitere Informationen unter: https://soap.lbg.ac.at/