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Depression: Veranlagung schon im Mutterleib erworben?

Studie der MedUni Wien geht Folgen von Immunreaktionen bei schwangeren Müttern nach

(Wien, 04-02-2015) Kann die Veranlagung für Depressionen bereits mit in die Wiege gelegt werden? Dieser Frage widmet sich ein neues Projekt an der Medizinischen Universität Wien, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird. Konkret soll dabei geklärt werden, ob Immunreaktionen bei schwangeren Müttern dazu führen, dass Kinder später zu Depressionen neigen.


Hinweise, dass mütterliche Infektionen während der Schwangerschaft einen Einfluss auf die Entstehung bestimmter psychischer Erkrankungen haben können, gibt es bereits – doch inwieweit dies speziell für Depressionen zutrifft, ist unbekannt. Jetzt werden daher im Tiermodell zelluläre und molekulare Prozesse analysiert, die zu einer solchen Veranlagung führen können.

Wissenschaftlichen Hinweise sind eindeutig: Einflüsse, denen eine Mutter in der Schwangerschaft ausgesetzt ist, können sich auf die psychische Entwicklung des Kindes negativ auswirken. Tatsächlich gilt es als gesichert, dass Schizophrenie und Autismus bei Kindern durch Infektionskrankheiten schwangerer Mütter verursacht werden können. Ob dies auch für Depressionen gilt, untersucht derzeit Daniela Pollak-Monje Quiroga am Department für Neurophysiologie und Neuropharmakologie der Medizinischen Universität Wien in einem dreijährigen Projekt des Wissenschaftsfonds FWF.

Das erste Ziel ihrer Arbeit am Mausmodell ist es festzustellen, ob depressionsartiges Verhalten im späteren Leben der Kinder tatsächlich durch Immunreaktionen während der Schwangerschaft hervorgerufen werden kann. Ihre weiteren Ziele erläutert Pollak-Monje Quiroga so: "Uns interessiert auch, ob eine solche Immunantwort mit einer veränderten Hirnentwicklung zusammenhängt und ob das auf mangelnder Wirkung eines speziellen Wachstumsfaktors beruht. Zusätzlich analysieren wir strukturelle, anatomische, molekulare und funktionelle Veränderungen des Gehirns."

Suche nach Erkenntnissen zur Entstehung von Depressionen
Die Arbeit ist dabei sowohl von großer gesellschaftlicher als auch wissenschaftlicher Bedeutung. Tatsächlich zählen Gemütserkrankungen wie Depressionen zu den häufigsten und schwersten psychischen Problemen – doch über die verantwortlichen zellulären und molekularen Vorgänge weiß man noch immer sehr wenig.
Für Pollak-Monje Quiroga ist dies auch einer der Gründe, weswegen für Diagnose und Behandlung solcher Erkrankungen nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung stehen: "Es gibt für Depressionen kein klinisch objektives Diagnoseinstrument. Wir sind auf das gemeinsame Auftreten verschiedener Symptome als Kriterium angewiesen. Ähnlich steht es um die Behandlung – noch immer werden Substanzen eingesetzt, die auf sogenannte Monoamine, also spezielle Neurotransmitter, wirken. Deren Wirkung wurde vor über 50 Jahren rein zufällig entdeckt, setzt therapeutisch langsam ein und ist von schweren Nebenwirkungen begleitet bzw. ist bei einem großen Anteil der Patienten und Patientinnen völlig unwirksam."

Um einen Beitrag zur Verbesserung dieser Situation zu leisten, wird sie sich mit den zellulären und molekularen Vorgängen befassen, die zu Depressionen führen können. Doch sie geht noch einen Schritt weiter: "Wir werden uns auch genetische Aspekte anschauen. Es kann sein, dass bestimmte genetische Voraussetzungen dazu beitragen, dass mütterliche Immunantworten in der Schwangerschaft zu einer späteren höheren Veranlagung zu Depressionen führen. Das werden wir klären."

Nervenzellen folgen Aufbaumuster der embryonalen Entwicklung
Der Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass die Neurogenese – also die Bildung von Nervenzellen – im Hippocampus von Erwachsenen einen Einfluss auf die Entstehung von Depressionen hat. Tatsächlich folgt die Neubildung in diesem Alter dem exakten Muster während der embryonalen Entwicklung – was zu der Überlegung führte, dass eventuell bereits während dieser embryonalen Neurogenese die Weichen für spätere Depressionen gestellt werden könnten. Eine Überlegung, die nun untersucht wird.

Insgesamt ist dieses vom FWF über drei Jahre unterstützte Projekt die erste umfassende Untersuchung zur Wirkung mütterlicher Infektionen während der Schwangerschaft auf die Entwicklung von Depressionen im späteren Leben. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können sowohl für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung als auch für die Identifizierung neuer Behandlungsmöglichkeiten von unschätzbarem Wert sein.