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Migräne: Neue Ansätze durch Lichttherapie

Ein Forscherteam der MedUni Wien untersucht neue Therapieansätze zur Behandlung der Lichtempfindlichkeit

(Wien, 08-02-2016) Migräne ist häufig mit einer Überempfindlichkeit gegenüber Lichtreizen verbunden. Ein Forscherteam der Medizinischen Universität Wien untersucht nun in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF neue Therapieansätze zur Behandlung der für Betroffene extrem beeinträchtigenden Lichtempfindlichkeit.


Migräne ist eine häufige, belastende, chronisch wiederkehrende Erkrankung. Etwa zehn Prozent der Erwachsenen sind von Migräne betroffen, Frauen häufiger als Männer, aber auch Kinder und Jugendliche sind mit wiederkehrenden Migräneattacken konfrontiert. In der Global Burden of Disease Study der Weltgesundheitsorganisation liegt Migräne, was die weltweite krankheitsbedingte Belastung betrifft, unter mehr als 300 Erkrankungen an sechster Stelle.


Eine häufige Begleiterscheinung von Migräne ist eine Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen, Lärm oder Licht. Letztere ist für die Patientinnen und Patienten oft besonders schlimm. Lichtreize können aber auch Auslöser einer Kopfschmerzattacke sein. In jedem Fall sind die Betroffenen in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt. Oft wird schon normales Tageslicht als unerträglich empfunden, mit dem Ergebnis, dass sich Migräne-Erkrankte während einer Attacke in dunkle Räume zurückziehen, Licht aber oft auch zwischen den Attacken meiden. Eine solche Vermeidungsstrategie zählt bis dato auch zu den ärztlichen Empfehlungen für den Umgang mit Migräne.


Verbesserung statt Vermeidung

„Inzwischen wird jedoch vermutet, dass die Vermeidung von Licht nachteilig ist, weil sie die Empfindlichkeit gegenüber Licht, die so genannte Photophobie, weiter erhöhen könnte “, erklärt Kopfschmerzexperte Christian Wöber. Vergleichbar sei dies mit Menschen, die unter Höhen- oder Platzangst leiden und angstauslösende Situationen vermeiden –, damit aber das Problem nicht lösen. Ein Forscherteam der Medizinischen Universität Wien geht daher in einer soeben anlaufenden Studie des Wissenschaftsfonds FWF der Frage nach, ob es auch andere und vor allem nachhaltige Wege im Umgang mit der Lichtempfindlichkeit bei Migräne gibt. Erste Untersuchungen zeigen, dass nicht das Vermeiden von Licht, sondern umgekehrt, die Desensibilisierung des Gehirns gegenüber Lichtreizen die bessere Strategie sein könnte. Dabei durchlaufen die Betroffenen einwöchige Trainings, in denen sich das Gehirn durch „Flackerlicht“ an helles oder normales Licht gewöhnen soll.


Neue Ansätze – konträre Konzepte

„Das aktuelle Forschungsprojekt wird mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) die ersten Hirnfunktionsdaten zur bestmöglichen Strategie liefern“, sagt Antragsteller und  fMRT-Experte Roland Beisteiner. Dabei werden beide Herangehensweisen – Lichtexposition und Lichtentzug – an  Migränepatientinnen und -patienten und an Personen ohne Migräne untersucht und erstmals die Hirnreaktionen gemessen, um die Effekte der beiden gegensätzlichen Strategien sichtbar zu machen. Das Projekt wird von der Arbeitsgruppe fMRT unter Leitung von Roland Beisteiner und der Arbeitsgruppe Kopfschmerz unter Leitung von Christian Wöber gemeinsam mit Stefan Seidel durchgeführt. Unterstützt wird das Wiener Team durch den australischen Psychologen Paul Martin. „Noch ist unklar, ob das Gehirn wirklich weniger empfindlich wird  durch Desensibilisierung, also eine Behandlung durch Licht. Wenn ja, wäre das ein völlig neuer Therapieansatz“, betonen die Forscher. Dass jeder Patient und jede Patientin in einem Abstand von drei Monaten beide Therapieformen durchläuft, ermögliche individuell am Patienten vergleichen zu können, in welche Richtung die Effekte gehen und wie sich die Gehirnaktivitäten von gesunden Personen unterscheiden.


Fortschritte in der Migräneforschung

Die Forschung konnte in den vergangen Jahre vieles über Migräneattacken aufklären. Migräne ist genetisch bedingt und geht mit Funktionsänderungen im Nervensystem einher. Impulse aus der Gehirnrinde, dem Hirnstamm und den Gesichtsnerven führen zu einer Entzündungsreaktion in der Hirnhaut und zu den typischen Symptomen der Migräne. Es wurden auch Botenstoffe entschlüsselt, die bei Migräne eine wichtige Rolle spielen. Aus diesen Erkenntnissen hat sich die Entwicklung von Medikamenten ergeben, die speziell bei Migräne wirken. Die Frage, weshalb eine Attacke zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt beziehungsweise wodurch eine Attacke ausgelöst wird, erfordert aber  weitere wissenschaftliche Untersuchungen. Die Forscher an der Medizinischen Universität Wien setzen mit ihrem FWF-Projekt an der aus zahlreichen Studien bekannten Tatsache an, dass Migräne mit einer Reizverarbeitungsstörung des Gehirns einhergeht. Migränebetroffene reagieren oft auch zwischen den Attacken auf Sinnesreize wie Licht, Geräusche und Gerüche anders als Personen ohne Migräne. Sie nehmen diese Reize verstärkt wahr und können sie nicht ausblenden. Das aktuelle Projekt wird die Frage klären, ob Vermeidung von Lichtreizen, wie bisher empfohlen, oder die gezielte Lichtexposition die bessere Strategie ist.


Zu den Personen

Die Neurologen Roland Beisteiner und Christian Wöber arbeiten an der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien. Beisteiner ist Experte für funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), www.oegfmrt.org. Christian Wöber leitet die an der Klinik angesiedelte Kopfschmerzambulanz. Das FWF-Projekt „Photophobie bei Migräne“ läuft noch bis 2017.


Teilnahme an der Studie

Für die aktuelle Studie „Photophobie bei Migräne“ werden noch Patientinnen und Patienten (Alter 18 bis 40) aufgenommen.
Anmeldung unter:
Stefan Seidel: stefan.seidel@meduniwien.ac.at
Roland Beisteiner: roland.beisteiner@meduniwien.ac.at, Tel. 01-40400-34080


» Öst. Gesellschaft für Funktionelle Magnetresonanztomographie
» Kopfschmerzambulanz Medizinische Universität Wien