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Mediale Beiträge über Krisenbewältigung können Suizidrate verringern

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(Wien, 14-12-2021) Dass mediale Darstellungen von Suiziden zu Nachahmungen führen, ist in der Forschung als „Werther-Effekt“ bekannt. Dass es auch umgekehrt funktioniert (Papageno-Effekt), konnte nun in einer Studie von Thomas Niederkrotenthaler am Zentrum für Public Health der MedUni Wien gemessen werden: Die nun im renommierten British Medical Journal veröffentlichte Analyse weist den Zusammenhang zwischen dem Hip-Hop-Hit „1-800-273-8255“ des US-Rappers Logic und einem Rückgang an Suiziden in den USA um 5,5 Prozent im Beobachtungszeitraum nach.

Der Hit aus dem Jahr 2017 thematisiert die tiefe Krise eines jungen, schwarzen, homosexuellen Mannes, der aufgrund von Diskriminierungen und Zurückweisungen seinem Leben ein Ende setzen will, dann aber zum Telefon greift und unter der Nummer 1-800-273-8255, der US-Suizidpräventionshotline National Suicide Prevention Lifeline, Hilfe erhält.

Der Hip-Hop-Song war wochenlang unter den Top 3 der US-Charts und wurde auch bei den MTV Video Music Awards 2017 und Grammy Awards 2018 aufgeführt. Der enorme Erfolg schlug sich bei der US-Suizidpräventionshotline, die durch den Songtitel breite Bekanntheit erreichte, in einem deutlichen Anstieg an Anrufen von Menschen mit Suizidgedanken nieder.

Messbarkeit durch große Verbreitung
Derart messbaren Auswirkungen von medialen Darstellungen von Krisenbewältigung auf die Suizidrate ist der Suizidforscher Thomas Niederkrotenthaler am Zentrum für Public Health der MedUni Wien schon länger auf der Spur: „Experimentelle Studien, insbesondere auch von unserer Forschergruppe, legen nahe, dass Erzählungen von Menschen, die suizidale Krisensituationen bewältigt haben, die Suizidalität in der Bevölkerung verringern können. Bisher gab es aber kaum entsprechend mediale Darstellungen mit ausreichend großer Verbreitung, um diesen Zusammenhang in Zahlen in der Bevölkerung sichtbar machen zu können. Logics Hip-Hop-Song bildet hier eine große Ausnahme.“

Mehr Kontakte, weniger Suizide
In der Zeit, als der Song besonders hohe öffentliche Aufmerksamkeit erreichte, analysierte Thomas Niederkrotenthaler mit ForscherInnen aus Wien, New York, Toronto, Atlanta und Melbourne Social-Media-Beiträge im Zusammenhang mit dem Hit und die Zahl der Anrufe bei der US-Suizidpräventionshotline. Das Ergebnis in Zahlen: In einem Zeitraum von 34 Tagen wurden 9.915 (6,9 Prozent) zusätzliche Kontakte von Hilfesuchenden bei der National Sucide Prevention Lifeline verzeichnet, die Zahl der Suizide in den USA wurde um 245 (5,5 Prozent) verringert.

„Mit Hilfe unserer Analyse konnten wir erstmals zeigen, dass kreative Zusammenarbeit zwischen Unterhaltungsindustrie und Suizidprävention effektiv sein kann, um gerade vulnerable Menschen in suizidalen Krisensituationen dazu anzuregen, Hilfe zu suchen, und Suizide zu verhüten“, sagt Thomas Niederkrotenthaler und appelliert an Medien, ihr positives Potenzial zur Suizidprävention durch die Darstellung von Krisenbewältigung zu nützen.

Service: British Medical Journal (BMJ)
Association of Logic’s Hip Hop Song 1-800-273-8255 with Lifeline Calls and Suicides in the United States: Interrupted Time-Series Analysis
Thomas Niederkrotenthaler, Ulrich S. Tran, Madelyn Gould, Mark Sinyor, Steven Sumner, Markus J. Strauss, Martin Voracek, Benedikt Till, Sean Murphy, Frances Gonzalez, Matthew J. Spittal, John Draper
BMJ 2021;375:e067726 http://dx.doi.org/10.1136/bmj-2021-067726

Anlaufstellen in Österreich:
Informationen zum Thema Suizidprävention und Hilfseinrichtungen aus ganz Österreich finden sich auf www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/, entsprechende Infos für Jugendliche auf: www.bittelebe.at