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Tweets zu Suizidprävention können Suizide verhindern

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(Wien, 14-12-2022) Ein Team um Thomas Niederkrotenthaler und Hannah Metzler von MedUni Wien und Complexity Science Hub Vienna hat rund sieben Millionen Postings zu den Themen Suizid und Suizidprävention auf Twitter analysiert. Dabei wurde mit Hilfe eines speziell entwickelten Machine Learning-Ansatzes gezeigt, dass Inhalte über die Prävention und Bewältigung von suizidalen Krisen die Anzahl von Kontakten bei Hilfseinrichtungen erhöhen. Somit liefern die Forscher:innen in ihren im Australian & New Zealand Journal of Psychiatry und Journal of Medical Internet Research erschienenen Studien erstmals einen messbaren Nachweis für das Potenzial von Social Media bei der Suizidprävention. 

Für die exakte Analyse der 7.150.610 Tweets, die im Beobachtungszeitraum von zwei Jahren zu den Themen Suizid und Suizidprävention gepostet wurden, nützten die Forscher:innen sogenannte Deep Learning-Modelle. Mit Hilfe dieser Methode kann im Gegensatz zu den in früheren Studien verwendeten Tools nicht nur das Vorkommen einzelner Worte, sondern auch der Kontext analysiert werden, in dem diese Begriffe verwendet werden. „Da Worte in bestimmten Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen haben können, erzielen wir mit dem Deep Learning-Modell wesentlich genauere Ergebnisse“, verdeutlicht Hannah Metzler vom Complexity Science Hub Vienna und vom Institut für Wissenschaft Komplexer Systeme der MedUni Wien die Besonderheit der speziell für die Forschungen entwickelten Methode.

Weiterer Nachweis für „Papageno-Effekt“
Damit erbrachten die Wissenschafter:innen um Studienleiter Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin des Zentrums für Public Health der MedUni Wien einen weiteren messbaren Nachweis für das in der Wissenschaft „Papageno-Effekt“ genannte Phänomen, dass Inhalte mit Informationen zur Suizidprävention die Zahl der Suizide verringern können: „Besonders Tweets über die eigene Bewältigung einer suizidalen Krise weisen ein enormes Potenzial auf, Menschen in ähnlicher Lebenslage dazu zu bringen, in Kontakt mit einer Hilfseinrichtung zu treten“, nennt Niederkrotenthaler ein wesentliches Detail der Forschungen.

Darüber hinaus zeigt die Studie erneut, dass in Zeiten besonders hoher medialer Präsenz des Themas Suizid auf Twitter auch die Zahl der Suizide steigt („Werther-Effekt“): „Gerade wenn im Kontext von aufsehenerregenden Suiziden sehr viel in sozialen Medien gepostet wird, besteht die Gefahr, dass dadurch vulnerable Personen tiefer in die Krise schlittern und es zu einem Anstieg der Suizide kommt“, ruft Thomas Niederkrotenthaler weiterhin zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit dem Thema auf.

Trotz des mittlerweile enormen Einflusses von Social Media vor allem auch auf den Umgang mit suizidalen Krisen gab es bisher kaum Forschungen mit aussagekräftigen Datenmengen dazu. „Unsere Arbeit ist die erste groß angelegte Studie, die darauf hindeutet, dass das tägliche Volumen spezifischer auf die Suizidprävention bezogener Tweets mit einem höheren täglichen Niveau von hilfesuchendem Verhalten und einer geringeren täglichen Anzahl von Suizidtoten einhergeht“, fasst Niederkrotenthaler die Studienergebnisse zusammen.

Anlaufstellen in Österreich:
Informationen zum Thema Suizidprävention und Hilfseinrichtungen aus ganz Österreich finden sich auf www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention/, entsprechende Infos für Jugendliche auf www.bittelebe.at

Publikationen:
Australian & New Zealand Journal of Psychiatry
Association of 7 million+ tweets featuring suicide-related content with daily calls to the Suicide Prevention Lifeline and with suicides, United States, 2016–2018.
Niederkrotenthaler, T., Tran, U. S., Baginski, H., Sinyor, M., Strauss, M. J., Sumner, S. A., Voracek, M., Till, B., Murphy, S., Gonzalez, F., Gould, M., Garcia, D., Draper, J., & Metzler, H.
Doi: 10.1177/00048674221126649

Journal of Medical Internet Research
Detecting Potentially Harmful and Protective Suicide-related Content on Twitter: Machine Learning Approach.
Metzler, H., Baginski, H., Niederkrotenthaler, T., & Garcia, D.
Doi: 10.2196/34705